Gottes Wille
Der göttliche Wille (Irâda) oder der Wille Gottes (arabisch: الإرادة الإلهية) ist eines der Attribute Gottes und ein Teil Seiner thubûti (=Jamâli, der Güte) Attribute. Daher wird Gott mit Murid bezeichnet, was der Wollende bedeutet. Muslimische Gelehrte sind sich über die Natur des Willen Gottes uneinig. Scheich al-Mufid und 'Allama Tabatabai, angesehene schiitische Gelehrte, betrachten den Willen Gottes im Verhältnis zu Ihm selbst als Seine Handlungen und im Verhältnis zu Seinen Geschöpfen als Seine Gebote. Laut Mu'taziliten sowie einigen schiitischen Theologen sei Gottes Wille eine Art Seines Wissens.
Der Wille wird in zwei Kategorien unterteilt: Der schöpferische sowie der gesetzgebende Wille. In den Versen des Korans werden beide aufgegriffen.
Stellung
Der Wille ist eine der Eigenschaften Gottes, weshalb Gott auch als Murid bezeichnet wird, was der Wollende, derjenige, der den Akt des Wollens vollzieht, bedeutet.[1] In zahlreichen Versen wird Gott Wille (maschia wa Irada) zugeschrieben [2], wie zum Beispiel: "Er straft, wen Er will, und Er erbarmt Sich, wessen Er will. Und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht."[3] und "Dein Herr tut immer, was Er will."[4]
Was ist der Wille Gottes?
Muslimische Theologen sind sich über die Existenz des Willens Gottes einig, aber in Bezug auf ein paar Einzelheiten gibt es Meinungsunterschiede [5], darunter: Was der Wille Gottes in seiner Natur ist, ob er inhärent oder handlungsbezogen ist, sowie die Frage, ob Gottes Wille für ewig oder zeitlich erschaffen ist.[6]
Scheich al-Mufid (gest. 413 n.H./1981[7]) und 'Allama Tabatabai (gest. 1360 n.H./1981) sind der Auffassung, dass der Wille Gottes seine Handlungen betreffend, Seine Handlungen selbst sind (schöpferischer Wille), wobei Sein Wille bezüglich der Handlungen der Geschöpfe, Seine Befehle in punkto ihrer Handlungen ausmacht (gesetzgeberischer Wille).[8] Daher bedeutet die Aussage "Gott wollte den Menschen erschaffen", dass "Gott den Menschen erschaffen hat"[9]. Ihrer Ansicht nach zählt der Wille Gottes zu Seinen handlungsbezogenen Attributen.[10] Scheich al-Mufid vertritt die Meinung, diese Perspektive stimme mit der Ansicht der Imame (a.) und der Mehrheit der imamitischen Gelehrten überein.[11] Zudem existieren Überlieferungen zu diesem Thema [12], einschließlich einer Überlieferung von Imam as-Sadiq (a.), die besagt, dass der Wille Gottes nicht ewig ist, sondern zeitlich erschaffen ist [13], sowie eines Hadith von Imam al-Kazim (a.), worin der Wille Gottes als Seine eigene Handlung beschrieben wird.[14] Laut einer Aussage von Imam al-Rida (a.) zählt der Wille zu den handlungsbezogenen Attributen Gottes.[15]
Allamah Tabatabai zufolge betrachten renommierte muslimische Philosophen wie Mulla Sadra den Willen als eine inhärente Eigenschaft Gottes, die mit Seinem Wesen identisch ist.[16] Laut der unter muslimischen Philosophen anerkannten Auffassung entspringt der schöpferische Wille Gottes aus Seinem Wissen bezüglich der Handlungen, die dem optimalsten System (der bestmöglichsten Welt)[17] angepasst sind.[18] Allamah Tabatabai befindet jedoch diese Definition als unzutreffend und sieht keinen stichhaltigen Grund für ihre Gültigkeit.[19] Mu'taziliten und zahlreiche schiitische Theologen sind der Meinung, dass der schöpferische Wille Gottes sein Wissen über die Handlungen ausmacht, die den Menschen und anderen Geschöpfen zugutekommen.[20] Deshalb betrachten diese Gelehrten den Willen als eine der inhärenten Eigenschaften Gottes.[21]
Asch'ariten hingegen glauben, dass der Wille Gottes etwas anderes ist als das Wissen oder die Macht oder weitere Attribute des Wesen Gottes,[22] aber er sei eine inhärente Eigenschaft Gottes oder er gehöre zu den Seinem Wesen anhängenden Eigenschaften, die jedoch zeitlich gesehen unerschaffen und ewig [23] sind.[24]
Der Unterschied zwischen Wille (irada) und Vorsehung (maschia)
Hauptartikel: Vorsehung
Für den Großteil der Lexikographen und auch für die Theologen ist Vorsehung gleichbedeutend mit Wille [25]. Sie glauben, dass Wille und Vorsehung identische Attribute darstellen. Einige hingegen differenzieren zwischen diesen beiden mit der Begründung, diese Begriffe werden im Koran lediglich in schöpferischen Angelegenheiten verwendet.[26] Ayatollah Makarem Schirazi zufolge lässt sich, anhand der Analyse der Koranverse, erschliessen, dass der Begriff "Wille" sowohl im schöpferischen als auch im gesetzgeberischen Sinne Verwendung findet, während Vorsehung überwiegend in Bezug auf Schöpfung und gestaltende Angelegenheiten benutzt wird und eher selten im gesetzlichen Kontext. [27] In einigen Hadithen [28] wird zwischen Vorsehung und Wille differenziert was Einzelheiten anbelangt wie Vorrangigkeit und Nachrangigkeit, was impliziert, dass Vorsehung und Wille nicht identisch ist .[29]
Schöpferischer Wille und gesetzgeberischer Wille
Hauptartikel: Schöpferischer Wille und gesetzgeberischer Wille
Der Wille Gottes wird in schöpferischer und gesetzgeberischer Wille unterteilt.[30] Unter dem schöpferischen Willen ist das Erschaffen des Beabsichtigten zu verstehen, ohne Mitwirkung des Willens eines Dritten, wie es beispielsweise beim Willen Gottes ist angesichts der Schöpfung der Welt oder dem Willen des Menschen beim Essen und Trinken.[31] Laut Ayatollah Sobhani, wenn der göttliche Wille darauf abzielt etwas ins Leben zu rufen, so handelt es sich hier um den schöpferischen Willen.[32] Der gesetzgeberische Wille liegt dann vor, wenn eine andere Person aufgefordert wird eine Handlung auszuführen, die dann aber aus freiem Willen geschieht,[33] wie beispielsweise beim gesetzgeberischen Willen Gottes, wenn es um die Erfüllung von Verpflichtungen oder gottesdienstlichen Handlungen der Muslime geht.[33] Mit anderen Worten, die Aufforderung des Gesetzgebers an den Verpflichteten eine Handlung aus freiem Willen zu vollziehen, wird als gesetzgeberischer Wille bezeichnet.[34]
In der Unterscheidung zwischen schöpferischem und gesetzgeberischem Willen wird festgehalten, dass der schöpferische Wille die Handlung der wollenden Person betrifft und das Objekt das beabsichtigt wird zu erschaffen, wobei der gesetzgeberische Wille die Handlung einer anderen Person betrifft.[35] Beim schöpferischen Willen wird das Beabsichtigte mit Sicherheit eintreffen, während beim gesetzgeberischen Willen die Möglichkeit besteht, dass dies nicht erfolgt, abhängig davon, ob das Befohlene befolgt oder nicht befolgt wird.[36] Der gesetzgeberische Wille bezieht sich im Gegensatz zum schöpferischen Willen nur auf freiwillige Handlungen.[37]
Der schöpferische und gesetzgeberische Wille findet umfangreiche Verwendung in den Versen des Koran. Mit "Wille" in Versen wie Vers 82 der Sure al-Nisa, [39] dem Reinheitsvers,[40], Vers 41 der Sure al-Ma'ida,[41] Vers 5 der Sure al-Qasas [42] und Vers 7 der Sure al-Anfal [43] ist der schöpferische Wille gemeint und mit "Wille" in den Versen 185 der Sure al-Baqarah [44] sowie im ersten und sechsten Vers der Sure al-Ma'ida[45] und im siebten Vers der Sure al-Anfal [46] ist der gesetzgeberische Wille gemeint.