Taʿabbud
Taʿabbud (Arabisch: التَّعَبُّد; Unterwürfigkeit) ist ein religiöser Begriff, der die absolute Unterwerfung der Gläubigen unter Gottes Befehl bedeutet, ohne den wahren Zweck dieses Befehls zu kennen. Aus Hingabe durchgeführte Gottesdienste sind eine Art Test von Gott, um wahre Gläubige von unwahren zu unterscheiden. Muslimische Gelehrte jedoch glauben, das Unklarsein des Grundes hinter den Gesetzen bedeutet nicht, dass sie unbegründet sind; Deshalb versuchte Scheich Saduq im Buch „'Ilal asch-Schari'a“ die Philosophie hinter den Gesetzen zu erklären.
Ta'abbud bezüglich der Scharia-Gesetze wird in allen religiösen Strömungen innerhalb des Islam akzeptiert und es ist ein unabtrennbares Element der Religion. Für rechtswissenschaftliche Schlussfolgerungen ist die Frage hinsichtlich Ta'abbud von Bedeutung und wird als ein maßgebliches Prinzip angesehen. Die Beziehung zwischen Rationalität und Ta'abbud ist ein wichtiges Thema in Diskussionen bezüglich der Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion. Nach Ansicht islamischer Gelehrter bedeutet Ta'abbud nicht, dass die Rationalität beiseitegeschoben wird, denn das Verständnis hinsichtlich der religiösen Hauptfragen beruht auf Argumentation und Überlegung.
Nach Ansicht einiger Intellektueller steht Ta'abbud bei der Phase des Denkens im Konflikt mit der Rationalität und bei der Phase des Handelns im Konflikt mit der Freiheit. Diese Aussage halten einige Forscher für widersprüchlich; Denn einerseits wird die Verbindung zwischen Religion und Ta'abbud nicht geleugnet und andererseits wird versucht, in den von ihr angeführten Interpretationen religiöser Begrifflichkeiten nicht ta'abbudie zu sein. Auch postulieren sie, dass das Akzeptieren der Worte der Propheten das Zuwenden Unwissender zu Wissenden ist und rational gesehen unproblematisch sei.
„Ta'abbud und Rationalität“ ist ein Buch von Mohammad Ja'fari zum Thema Ta'abbud.
Wichtigkeit von Ta'abbudin in islamischen Diskussionen
Ta'abbud ist ein juristischer und moralischer Begriff, der die völlige Unterwerfung der Gläubigen unter Gottes Gebote impliziert.[1] Diesem Begriff nach befolgen Gläubige Gottes Gebote, auch wenn sie den wahren Grund hinter ihnen und ihre Vorteile nicht kennen.[2] Es heißt, dass das Religionsgesetz (Scharia) und die Grundlagen der Religion ohne Ta'abbud nicht vorstellbar ist.[3] Daher sind Anbetung und Monotheismus untrennbar miteinander verbunden.[4] Der Geist des Islam und die Grundlagen der Religion sind Ta'abbud und Unterwerfung gegenüber Gott[5] und eine Religion ohne Ta'abbud wird als eine Religion ohne Wahrheit angesehen.[6]
In allen islamischen Konfessionen wird Ta'abbud in den Scharia-Gesetzen akzeptiert.[7] Die Überschreitung der Grenzen von Ta'abbud führt zur Zerstörung der Religion.[8] Ta'abbud basiert auf den beiden Prinzipien Einsicht (Glaube an die Weisheit der Gebote Gottes) und Zuneigung (Liebe zu Gott).[9] Jeder monotheistische Denker ist zum Ta'abbud verpflichtet und stellt damit den gesamten göttlichen Intellekt über sein eigenes Denken.[10]
Philosophie und Ta'abbud
Sich im Unklaren sein über die Gründe der Gesetze bedeutet nicht, dass sie unbegründet sind.[11] Gemäß einer Überlieferung von Imam Riza (a.) fordert Gott von seinen Dienern Gehorsam bei der Ausführung der Angelegenheiten; Denn hinter den Geboten und Verboten Gottes stecken Vorteile und Nachteile, und diese zu tun oder zu unterlassen ist stets zugunsten der Diener und ihr Leben hängt von ihrem Gehorsam gegenüber diesen Befehlen ab.[12]
Im Islam, wie auch in anderen himmlischen Religionen gibt es Regeln, deren Philosophie dahinter für den Menschen nicht klar ist.[13] Gläubige akzeptieren diese Regeln aus Hingabe an Gott und befolgen sie.[14] Gottesdienste, die ohne Kenntnis über die Philosophie der Gebote erfolgen sind eine Art göttlicher Test, um wahre Gläubige von unwahren zu unterscheiden.[15]
Scheich Saduq versuchte die Philosophie der Gesetze im Buch „'Ilal asch-Scharia“ zu erklären.[16] Laut Abbas Ali Omid Zanjani, dem Autor des Buches „politische Rechtswissenschaft“, ist Scheikh Saduq (gestorben 381 n.H.) wahrscheinlich der einzige Hadith-Gelehrte und Jurist, der die Philosophie über die Rechts-Urteile sammelte.[17] Omid Zanjani ist der Ansicht, dass schiitische Juristen den Hadithen in 'Ilal asch-Scharayi' nicht genügend Aufmerksamkeit schenkten, da sie befürchteten in rechtswissenschaftlichen Diskussionen Analogien (Qiyas) anzuwenden, die die ta'abbudi Mentalität schwächen könnten.[18] Doch Omid Zanjani ist der Ansicht, dass dieser Ansatz der Methode des Korans zuwiderläuft, da die Philosophie sowie der Nutzen und der Schaden einiger Gesetze im Koran dargelegt werden.[19]
Auch Mohammad Taqi Ja'fari, ein schiitischer Philosoph und Theologe, glaubt, dass hinter den gottesdienstlichen Gesetzen eine solide Philosophie steht, die auch dem gesunden Menschenverstand nicht unbedingt verständlich wird.[20] Einige glauben sogar, dass viele islamische Lehren nur mit der Hingabe an Ta'abbud angenommen werden sollten, da die dahinter stehende Weisheit und Philosophie nicht zu erlangen ist.[21]
Ta'abbud und Rationalität
Die Hingabe, welche in der Religion vorzufinden ist beruht auf rationalem Denken, genauso wie das Nachahmen hinsichtlich der Rechtsurteile bzw. Religionsgesetze auf Forschung und rationalen Schlussfolgerungen basiert.[22] Demzufolge soll bei Ta'abbud auf keinen Fall das rationale und logische Denken ausgeschaltet werden, denn die Hauptfragen der Religion (die Überzeugungen) beruhen schließlich auf argumentativer Beweisführung und rationaler Denkarbeit.[23] Laut Muhammad Husain Tabatabai, Theosoph und Koranexegete, werfen Anhänger einiger Religionen irrationale Fragen bezüglich ihrer Religion auf und versuchen, mit der Begründung einige ta'abbudi Angelegenheiten seien logisch gesehen unmöglich, sie zu rechtfertigen.[24] Tabatabai hält diese Herangehensweise für widersprüchlich und sagt, wie ist es möglich einerseits die Wahrhaftigkeit der Religion mit dem Verstand zu beweisen, obwohl andererseits dieselbe Religion Elemente enthält, die der Intellekt als unmöglich abtut.[25]
Rationales Denken und Ta'abbud zählen zu den wichtigsten Themen, die innerhalb der Frage über das Verhältnis zwischen Verstand und Offenbarung oder die Beziehung zwischen Wissenschaft und Religion behandelt werden.[26] Forschern zufolge ist im Bereich des Verstehens rationales Denken angesagt und im Bereich des Praktizierens Ta'abbud.[27] Folglich heißt es, dass die Glaubensprinzipien anhand des Intellekts zu akzeptieren sind und nicht durch Ta'abbud.[28] Laut einigen Forschern ist der wichtigste Grund für die Entstehung also für die Abspaltungen der vier sunnitischen Rechtsschulen ihre Sichtweise auf Rationalität und Unterwürfigkeit.[29]
Ta'abbud und das Herleiten von religiösen Rechtsurteilen (Gesetze)
Ta'abbud als Gegenteil von Rationalität ist eine der bei Herleitung religiöser Rechtsurteile fungierenden Grundlagen.[30] Bestimmung der Grenze zwischen Rationalität und Unterwürfigkeit ist ein wichtiger Aspekt bei Diskussionen hinsichtlich religiöser Rechtsurteile/Gesetze.[31] Rechtsgelehrten zufolge umfasst Ta'abbud in der Religion die gottesdienstlichen Angelegenheiten und nicht die Mu'milat.[32] Rechtsgelehrte entnehmen dem Kapitel Mu'amilat den Maßstab der Urteile, die aus den Überlieferungen hergeleitet wurden.[33] In der schiitischen Rechtslehre ist laut Amid Zanjani der Widerspruch zwischen Unterwürfigkeit und Rationalität eine gelöste Frage, denn schiitischen Rechtsgelehrten nach betrifft der Bereich der Unterwürfigkeit lediglich die Rechtsurteile (Religionsgesetze), die koranisch begründet oder in den Überlieferungen verankert sind, und der Bereich der Rationalität betrifft die Rechtsurteile außerhalb des Korans und der Überlieferungen und der Staatsgesetze.[34]
Sicht der Intellektuellen
Der wichtigste Gegenstand der Überlegungen von Intellektuellen hinsichtlich Religion ist das Gegenüberstehen von Rationalität und Unterwürfigkeit in der Religion.[35] Flucht vor der Unterwürfigkeit wird als Ergebnis der Moderne betrachtet.[36] Mustafa Malekian ist der Überzeugung, dass Unterwürfigkeit auf den ersten Blick der Rationalität widerspricht, in der Phase des Praktizierens jedoch bedeutet es Freiheit.[37] Malekian hält Unterwürfigkeit, die auf einer rationalen Grundlage beruht für unproblematisch.[38]
Abdulkarim Surusch glaubt, dass der Bereich Gottesdienst in Fiqh (islamische Juristik) geheimnisvoll ist und mit Unterwürfigkeit angenommen werden sollte; Allerdings hält er den Bereich der Mu'milat für nicht geheimnisvoll.[39] Mohammad Mojtahid Schabistari stuft zusätzlich zum Bereich Mu'amilat auch den Bereich der Gottesdienste in Fiqh als nicht geheimnisvoll ein.[40] Laut Schabistari haben die meisten Fatwas der Rechtsgelehrten in Bezug auf das Kapitel Politik keine rationale Rechtfertigung und tragen zum Verlust der Interessen der Muslime bei.[41]
=Kritik an der Sicht der Intellektuellen
Nach Ansicht einiger Forscher zweifeln Intellektuelle an Religion im Zusammenhang mit der Moderne, und dieser Zweifel veranlasste sie widersprüchliche Aussagen zu machen; Denn einerseits leugnen sie nicht den Zusammenhang zwischen Religion und Unterwürfigkeit aber andererseits versuchen sie stets Interpretationen von religiösen Begrifflichkeiten zu liefern, die nicht ta'abbudi sind.[42] Mohammad Taqi Ja'fari glaubt, dass Intellektuelle Religion und Rationalität als Gegensätze betrachten und die Unterwürfigkeit vor die Rationalität stellen.[43]
Laut Forschern basieren Unterwürfigkeit und die Akzeptanz von Mysterien in der Religion auf Rationalität; Denn einerseits ist die Religion mit der unsichtbaren Welt verbunden und die Propheten verkündeten die Botschaft der unsichtbaren Welt zur Erlösung der Menschen. Andererseits ist die Akzeptanz der Worte der Propheten zur Erlösung eines der rationalen Prinzipien, das sich Zuwenden des Wissenden an den Unwissenden.[44] Einige Forscher halten es für falsch beim Präsentieren von Interpretationen die Unterwürfigkeit abzulehnen oder zu übertreiben und meinen, dass Intellektuelle in ihrer Konfrontation mit religiösen Lehren voreingenommen seien, für sie gelten religiöse Texte als nicht geheimnisvoll, ausserdem akzeptieren sie nicht das Element der Unterwürfigkeit.[45]