Verstand
Verstand oder Intellekt (arabisch: عقل) ist eine der Wahrnehmungskräfte des Menschen und eine der vier Quellen für die Ableitung von islamischen Gesetzen bzw. Regeln in der schiitischen Rechtsprechung. Der Verstand hat in den islamischen Lehren eine besondere Bedeutung und Herleitung durch Verstand wird ebenso wie Aussagen der Propheten als gültige Belege angesehen.
Erkenntnistheoretiker betrachten den Verstand als die Fähigkeit allgemeine Konzepte zu verstehen und weisen ihm zwei Funktionen zu nämlich intuitiv (Axiome verstehen) und argumentativ (theoretisches Wissen herleiten). Der Verstand wird in zwei Typen unterteilt: theoretisch und praktisch. Der theoretische Verstand leitet Fakten her und der praktische hat eine beratende und befehlende Funktion.
Der Verstand ist neben dem Koran, Traditionen und Konsens eine der vier Quellen zur Ableitung der islamischer Gesetze und Regeln der schiitischen Religion. Schiitische Gelehrte leiten auch einige rechtswissenschaftliche und grundlegende Regeln durch Verstand bzw. Intellekt ab.
Quellen der Erkenntnis
Erkenntnistheoretiker betrachten den Verstand wie die Sinne als eine Quelle des Wissens und glauben dass man mit ihm allgemeine Konzepte versteht. Im Gegensatz zu den Sinnen mit denen Details verstanden werden.[1] In der Erkenntnistheorie werden zwei Arten von Funktionen für den Verstand beschrieben: intuitive Funktion durch die die ersten Informationen hergeleitet werden und die Argumentationsfunktion die hilft aus ihren ersten Informationen neue Informationen herzuleiten. Aus der ersten Funktion des Verstandes wird das Offensichtliche verstanden und aus in der zweiten Funktion wird neues theoretisches Wissen bzw. Wissenschaften herbeleitet.[2]
Theoretischer und praktischer Verstand
Der Verstand wird in zwei Typen unterteilt: theoretischer und praktischer Intellekt. Die Funktion des theoretischen Verstandes besteht darin Fakten zu verstehen und die der praktischen darin zu zu organisieren und weiter herzuleiten. Einige glauben dass Menschen nicht über zwei verschiedene Arten von Intelligenz verfügen vielmehr über eine Fähigkeit die sein Wahrnehmungswerkzeug ist. Nach dieser Auffassung hängt der Unterschied zwischen theoretischen und praktischem Verstand mit dem was wahrgenommen wird zusammen.[3] Laut Muhammad Baqir Sadr ist die Aktivität des theoretischen Verstandes die Wahrnehmung allgemeiner Angelegenheiten eine Art des Wissens und hat nichts mit der Position des Handelns und der Anwendung zu tun. Zum Beispiel: die Art der logischen, mathematischen, philosophischen und theologischen Regeln, die zur Kategorie des Wissens und Glaubens gehören wie zum Beispiel: „Eins ist die Hälfte von zwei“ oder „Ringschluss und Folgeschluss sind ungültig“.[4]
Position des Intellektes im Islam
Laut Mortaza Motahari hat keine Religion den Verstand bzw. Intellekt so sehr geschätzt wie der Islam.[5] In einer vom Propheten des Islam (s.) zitierten Überlieferung heißt es dass alle guten Dinge durch den Intellekt verstanden werden und dass jemand der keinen Verstand hat auch ohne Religion ist.[6] Imam Kazim (a.) betrachtete den Verstand zusammen mit den Propheten und Imamen (äußerer Beleg Gottes) als inneren Beweis in allen Dienern Gottes.[7]
Im schiitischen Islam gibt es zusätzlich zu den Prinzipien des Glaubens, die durch den Verstand hergeleitet werden[8] auch einige Rechtswissenschafts-Regeln und Prinzipien der Rechtsprechung sowie Rechtsurteile, die ebenfalls mittels Verstand bestimmt werden.[9]
Position des Intellektes in der schiitischen Jurisprudenz
- Hauptartikel: rationaler Grund
Laut Muhammad Redha Mozafar, einem der Juristen des 14. Mondjahrhunderts, ist der Verstand neben dem Koran, der Tradition und dem Konsens eine der vier Quellen zur Ableitung islamischer Regeln bzw. Gesetze.[10] Schiitische Juristen verwenden im Ijtihad (zu deutsch in etwa: sorgfältige Bemühungen um zur Wahrheit zu gelangen) viel Intellekt. Einige seiner Verwendungen sind in den Grundsätzen der Rechtswissenschaft zusammengestellt. Einige der Funktionen des Intellektes im Prozess der Ableitung der Rechtswissenschaft sind:
- Die Quelle der islamischen Regeln neben dem Koran und der Tadition: Die Vernunft stellt manchmal einige islamische Regeln bzw. Gesetze unabhängig voneinander zur Verfügung wie Urteile, die verstandesgemäß gut oder böse sind erlangt werden. [11] Wenn wir beispielsweise den Zusammenhang zwischen einem vorhandenen islamischen Gesetz und einer verstandesmäßigen Entscheidung herleiten gelangen wir zu einer neuen islamischen Regel bzw. Gesetz.
- Herleitung der Authentizität religiöser Texte: Eine der Bedingungen für die Authentizität von Überlieferungen und die Umsetzung ihres Inhalts ist dass sie dem endgültigen Schluss des Verstandes nicht widersprechen. Da zum Beispiel die Unfehlbarkeit des Propheten (s.) mit eindeutiger rationaler Herleitung bestätigt wurde sind die Überlieferungen, die auf die Widerlegung seiner Unfehlbarkeit hinweisen ungültig.
- Hilfe bei der Herleitung von islamischen Gesetzen oder Regeln aus dem Koran und der Tradition: Einige der verwendeten Rechtswissenschaft-Regeln bzw/ -Gesetze werden unter Nutzung des Verstandes und Intellekts aus dem Koran und der Tradition abgeleitet.[12]
Fußnoten
- ↑ Hosseinzadeh, Mabani Ma'rifat Dini, S.38
- ↑ Malekian, Rahi Be Rahayi, S.253
- ↑ Sadeghi, Aghlaniyyat Iman, S.43
- ↑ Sadr, Durus fi Ilm al-Usul, B.2, S.256
- ↑ Motahari, Majmue Athar, B.23, S.184-185
- ↑ Ibn Schu'ba Harrani, Tuhaf al-Uqul, S.54
- ↑ Kulaini, Al-Kafi, B.1, S.16
- ↑ Rabbani Golpayegani, Daramadi Be Schie-schinasi, S.139
- ↑ Rabbani Golpayegani, Daramadi Be Schie-schinasi, S.144-145
- ↑ Mozafar, Usul al-Fiqh, B.1, S.51
- ↑ Anmerkung|Unabhängig von der Rationalität im Sinne der Gelehrten der Prinzipien der Jurisprudenz sind Entscheidungen, die durch Verstand erlangt werden können ohne dass es einer speziellen Gesetzgebung bedarf.
- ↑ Ziyaifar, «Jaygahe Aql Dar Ijtihad», S.230-234
Quellenverzeichnis
- Ibn Schu'ba Harrani, Hasan b. Ali, Tuhaf al-Uqul, Qom, Jame'e Modarrisin, 1404 n.H
- Kulaini, Mohammad b. Ya'ghub, Al-Kafi, Teheran, Dar al-Kotob al-Islamiyya, 1407 n.H
- Malekian, Mostafa, Rahi Be Rahayi, Teheran, Nigah Moaser, 1381 n.i.S
- Motahari, Morteza, Majmue Athar, Teheran, Sadra, 1383 n.i.S
- Mozafar, Mohammad Riza, Usul al-Fiqh, Qom, Veröffentlichungen Islami, 1430 n.H
- Rabbani Golpayegani, Ali, Daramadi Be Schie-schinasi, Qom, al-Mostafa, 1392 n.i.S
- Sadeghi, Hadi, Aghlaniyyat Iman, Qom, Kitab Taha, 1386 n.i.S
- Sadr, Mohammad Baqir, Durus fi Ilm al-Usul, Beirut, Dar al-Kotob al-Lobnani, 1406 n.H
- Ziyaifar, «Jaygahe Aql Dar Ijtihad»