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Tawqi'

Aus wikishia

Al-Tawqī' (Arabisch: التوقيع) bezieht sich auf die Schriften und Korrespondenzen ‎der schiitischen Imame‎. Diese Tawqi's wurden in der Handschrift der Imame oder von ihnen diktiert verfasst und dienten in der Regel als Reaktion auf Anfragen und Bitten ‎der Schiiten‎, die durch ein Netzwerk von Bevollmächtigten (سازمان وکلالت) den Schiiten zugänglich gemacht wurden.

Diese Schriften befassen sich mit Rechts- und Glaubensfragen, beinhalten die Ernennung sowie Entlassung von Vertretern (wukala), den Eingang religiöser Gelder‎ sowie die Ablehnung von unberechtigten Beanspruchern auf das Amt eines Stellvertreters. In den verfügbaren Quellen werden rund 100 ‎Tawqi' Imam al-Mahdi (a.)‎ zugeschrieben, was mit der Ära der ‎Kleinen Verborgenheit ‎im Zusammenhang steht.

In einigen Fällen beziehen sich schiitische Juristen auf Tawqi' als Grundlage zur Ableitung religiöser Urteile. Ihrer Auffassung nach sind die von den Imamen ausgestellten Schriften maßgeblich.

Konzept

In der schiitischen Kultur umfasst Tawqi' die Schriften, Briefe und in bestimmten Fällen auch die mündlichen Überlieferungen der schiitischen Imame.[1]‎ Ursprünglich war tawqi' eine Notiz am Rand oder auf der Rückseite von Klageschriften, verfasst in der Handschrift ‎des Kalifen‎, Sultans oder anderer Herrscher, die die Klagen überprüften und regelten.[2]‎

Die Entwicklung des Tawqi'‎

Laut dem Werk ‎Daneschname-ie Imam al-Mahdi (a.)‎ war die erste Aufzeichnung, die als al-Tawqi' bekannt wurde die Handschrift von ‎Imam al-Kazim (a.)‎ als Antwort an seinen Onkel ‎Hasan b. 'Ali al-Washa,‎ der ihn bat für ihn ein Bittgebet zu machen, auf dass er einen Sohn bekommt.[3]‎ Der Text dieses Tawqi's wird im Buch ‎Qurb al-Isnad‎ dokumentiert.[4]‎ Daraufhin fand der Begriff Tawqi' auch bezüglich einiger Schriften von ‎Imam ar-Riza (a.) Anwendung.‎[5]‎ In der Zeit ‎von Imam al-'Askari und dem Wachstum der schiitischen Gemeinschaft und aufgrund der Festnahmen von ‎Imam al-Hadi (a.) und Imam al-‎'Askari (a.) stieg die Zahl der von diesen beiden Imamen ausgegebenen Tawqi's im Vergleich zu den vorhergehenden Imamen signifikant an.‎[6]‎

Tawqi' bezog sich zur Lebenszeit der Imame ausschließlich auf Schriften, die sie als Antwort an die Schiiten verfassten. Danach jedoch gehörten sämtliche Schriften, die von Imam al-Mahdi (aj) verfasst wurden, unabhängig davon, ob sie als Reaktion auf spezifische Anfragen oder Fragen verfasst wurden oder nicht, dazu. Darüber hinaus wurde der Begriff Tawqi' auch für die mündlichen Überlieferungen von Imam al-Mahdi (aj) verwendet.[7]‎

Handschriftliche Tawqi's

Die Tawqi's wurden entweder handschriftlich von den Imamen verfasst oder sie wurden diktiert und andere schrieben sie nieder.‎[8]‎ In einigen Fällen wiesen die Imame unten auf der Tawqi' daraufhin, dass diese oder jene in ihrer eigenen Handschrift verfasst wurde.[9]‎ Vermutet wird, dass die Vermerke zur Bestätigung des handschriftlichen Verfassens der Tawqi's durch Imam al-Mahdi (a.) deshalb hervorgehoben werden, um sie von falschen Tawqi'-Schreiben, die ihm zugeschrieben wurden zu unterscheiden[‎10] oder die Behauptungen gewisser Abweichler bezüglich der Tawqi'-Schriften zu überprüfen.[‎11]‎ Dies wird auch durch den Umstand untermauert, dass Ahmad b. Ishaq al-Qummi Imam al-'Askari (a.) bat einen Brief zu verfassen, anhand dessen die Briefe des Imams identifiziert werden konnten, was der Imam (a.) dann auch tat.‎[12]‎ Die Gefährten der Imame (a.) waren mit der Handschrift der Imame (a.) vertraut und konnten sie von anderen Handschriften unterscheiden.‎[13]‎

Versendung von Tawqi's über das Bevollmächtigten-Netzwerk

Der Austausch von Tawqi's erfolgte über die Bevollmächtigten der Imame, was als Wukala-Netzwerk bekannt ist. Schiiten aus den verschiedensten Regionen übermittelten ihre religiös relevanten Gelder, ihre Ansinnen und Fragen an die Imame über deren Vertreter, die die Antworten über Tawqi's an sie zurückleiteten. Während der Zeit der Kleinen Verborgenheit oblag diese Zuständigkeit den vier Nuwab (Stellvertreter)‎[15]‎, die wiederum über ihre Vertreter mit den Schiiten in den verschiedenen Regionen kommunizierten.[16]

Es gibt auch Überlieferungsberichte, die belegen, dass die Schiiten ihre Anfragen auf alternativen Wegen und ohne die Vermittlung von Bevollmächtigten an die Imame (a.) weiterleiteten. Ein Beispiel hierfür ist Muhammad b. Yusuf al-Shashi, der seine Schreiben an Imam al-Mahdi (aj.) durch eine Frau übergab, die häufig das Haus des Imams besuchte und auch eine Tawqi' als Antwort für ihn erhielt, wie Qutb Rawandi überlieferte.‎[17]‎

‎Nach der Ausstellung wurden die Tawqi's mit einem Hinweisschild versehen und von einem speziellen Kurier weitergeleitet.‎[18]‎ Die Identität der Kuriere wird in den Berichten nicht näher erläutert; sie werden jedoch mit Begriffen wie "imrat" (Frau), Ghulam (Jüngling), Ghulam Aswad (schwarzer Jüngling), al-Rasul min 'inda al-Husain b. Ruh (der Bote von Husain b. Ruh) und Rasul al-Khalaf (der stellvertretende Bote) bezeichnet.‎[19]‎ Dies geschah zwecks Taqiyya‎.[20]‎

==Inhalt==‎ Die Tawqi's waren nicht auf ein spezielles Thema beschränkt, doch die meisten von ihnen betrafen rechtliche und glaubensbezogene Fragen. Anhand der Dokumente ist jedoch ersichtlich, dass auch diverse andere Themen behandelt wurden. Dabei ging es auch um die Entlassung und Ernennung von Bevollmächtigten, die Formulierung ihrer Pflichten, die Bestätigung des Erhalts ‎religiös relevanter Gelder‎ (Zahlungen), die Ablehnung falscher Anwärter auf das Stellvertreteramt sowie die Reaktion auf individuelle Anliegen.[21]‎

==Gültigkeit der Tawqi's==‎ Rechtsgelehrte sind der Auffassung, dass jede Tawqi', deren Ausstellung seitens eines Imams als sicher eingestuft worden ist, als gültig erachtet wird.[22]‎Aus diesem Grund griffen einige schiitische Rechtsgelehrte bei bestimmten Kontexten auf Tawqi'at zurück, um religiöse Urteile abzuleiten.[23]‎ Einige Rechtsgelehrte hingegen stellen die Gültigkeit dieser Korrespondenz in Frage (Tawqi's wurden in der Regel in Form von Korrespondenzen ausgestellt)[24]‎ und betrachten sie nicht als gleichwertig mit mündlichen Überlieferungen.[25]‎ Es existiert jedoch kein Hinweis in den Rechts-Quellen, der die Ungültigkeit von Korrespondenzen oder deren Gültigkeit im Vergleich zu mündlichen Überlieferungen belegen könnte.[26]‎

Im Gegensatz zu dieser Auffassung wird festgehalten, dass das Schreiben eine Tradition der schiitischen Imame (a.) war und zudem die gemeinsame Vorgehensweise verschiedener Völker darstellt‎ [27]‎, und dass Korrespondenzen letztendlich verfasst wurden, damit dessen Inhalt auch umgesetzt wird.‎[28]‎

Tawqi's von Imam al-Mahdi (aj.)‎

Hauptartikel: ‎Tawqi'at von Imam al-Mahdi (aj.)‎ Dies bezieht sich auf die Briefe und Schriften des ‎zwölften Imams der Schiiten‎, die während der Zeit der ‎Kleinen Verborgenheit‎ als Antworten auf die Fragen der Schiiten verfasst wurden. In den schiitischen Überlieferungs-Quellen ist von etwa 100 dokumentierten Tawqi's von Imam al-Mahdi (aj.) im Bereich der Rechtslehre, der Glaubenssätze etc. die Rede.‎[29]‎

Quellen

Tawqi's werden sporadisch in schiitischen Hadith-Quellen erwähnt. Im Buch ‎Rijal al-Kaschi‎ wurden zahlreiche Tawqi's von den schiitischen Imamen überliefert.[30]‎ In den Werken von ‎Kamal al-Din‎ Scheich as-Saduq und ‎in al-Ghaiba von Scheich at-Tussi wurden die Tawqi's von Imam al-Mahdi (aj.) in einem separaten Kapitel zusammengefasst.[31]‎

‎Einige Werke dies betreffend wurden auch im dritten Jahrhundert n.H. und danach verfasst. In ‎al-Rijal al-Najaschi‎ werden die Bücher "Masa'il Abi Muhammad", "Qurb al-Asnad ila Sahib al-Amr (a.)", "Masa'il al-Rijal wa Mukatibatihim Aba al-Hasan al-Thali, 'alaih as-Salam" von ‎'Abd Allah b. Ja'far al-Himiari‎, einem schiitischen Hadith-Gelehrten des dritten Jahrhunderts n.H.,[32], sowie al-Tawqi'at von Muhammad b. 'Isa b. 'Ubaid, einem der Begleiter von Imam al-Jawad‎[33],‎ erwähnt.‎ ‎ At-Tawaqi', verfasst von 'Abd Allah b. al-Salt, einer der ‎Gefährten von Imam al-Reza (a.),‎ stellt ein weiteres wichtiges Werk in diesem Bereich dar.[34]