Tote als Mittler nehmen

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Tote als Mittler nehmen. Dieses bedeutet, dass man prominente religiöse Persönlichkeiten, beispielsweise die Vierzehn Unfehlbaren, auch nach ihrem Tod um Fürsprache bei Gott bitten kann, damit Wünsche in Erfüllung gehen. Dieser Akt ist ein Glaubensbestandteil der Muslime insbesondere der Schiiten, stützend auf die Annahme, dass Tote (die Lebenden) hören können während sie ein Leben im barzakh führen.

In schiitischen, aber auch in sunnitischen Quellen sind Fälle angegeben, bei denen davon gesprochen wird, dass die Ahl al-Bait (a.) und einige Gefährten nach dem Tod des Propheten (s.) ihn um Fürsprache gebeten haben. Wahhabiten, vorallem Gesichter wie Ibn Taymiyya betrachten das Mittlungsstreben in Bezug auf Verstorbene für verboten. Aus Sicht der muslimischen Gelehrten gibt es keinen Unterschied zwischen dem Mittlungsstreben von Heiligen während ihrer Lebenszeit oder nach ihrem Tod. Genauso wie der Prophet (s.) und andere religiöse bedeutsame Personen zu ihren Lebzeiten zu bitten waren, für den Menschen Bittgebete auszusprechen und um ihre Vergebung bei Gott zu bitten, so ist dies auch nach ihrem Tod möglich.

Bedeutung

Das Mittlungsstreben gerichtet an Tote heißt, dass man religiöse prominente Persönlichkeiten wie die Vierzehn Unfehlbaren als Mittler nimmt, welche bei Gott für die Erfüllung der Wünsche bitten.[1]

Das Hören der Toten und das Leben im barzakh

Tote um Fürsprache zu bitten ist erst dann akzeptabel, wenn der Glaube an das Leben im barzakh und daran, dass die Toten hören vorweg vorhanden ist und so erst die Möglichkeit besteht, dass Lebende mit den Seelen der Verstorbenen im barzakh Kontakt aufnehmen können, da diese ja die Lebenden hören.[2]

Erlaubnis

Siehe auch: Mittlungsstreben

Als Beweisführung für die Erlaubnis des Mittlungsstrebens bezüglich Verstorbener werden gewisse Koranverse, die Praxis der Ahl al-Bait und der Muslime herangezogen:

Koranische Beweise

Als Beleg für die Zulässigkeit des Mittlungsstrebens an Verstorbene wird zum Vers 64 der Sure an-Nisa gegriffen, in dem die Gläubigen angespornt werden den Propheten (s.) zu bitten für sie bei Gott um Vergebung zu bitten. Ob hier nur zur Lebzeit des Propheten (s.) gemeint ist und nicht auch über seinen Tod hinaus, ist dem Vers nicht zu entnehmen, daher kann man davon ausgehen, dass das Mittlungsstreben auch über den Tod hinausgeht.[3] Ebenfalls erklärt der Vers 35 der Sure al-Maida das Mittlungsstreben als ausnahmslos erlaubt, wobei sich aus der Absolutheit des Verses erfassen lässt, dass man die Seelen der Gläubigen und der Propheten auch nach ihrem Tod um Fürsprache bitten kann.[4]

Die Praxis der Imame der Schiiten

Wie in einigen Quellen nachzulesen ist, pflegten die Imame der Schiiten, den Propheten (s.) als Mittler einzusetzen. Ali (a.)[5] und Imam al-Husain (a.) baten den Propheten (s.) um Fürbitte.[6] Imam as-Sajjad (a.) differenzierte nicht in Bezug auf das Mittlungsstreben durch die Vierzehn Unfehlbaren, zwischen Lebenden und Verstorbenen.[7](yaddascht) Auch Bittgebete von der Ahl al-Bait (a.) wie das Bittgebet Sari' al-Ijaba (Bittgebet, welches schnell erhört wird) implizieren, dass es als eine Empfehlung galt, die religiösen Großen um Fürsprache zu bitten, auch nach ihrem Tod.[8]

Verhalten der Gefährten

Es liegen Berichte in den sunnitischen Überlieferungsquellen über das Mittlungsstreben einiger Gefährten und Muslime vor, die sich an den Propheten (s.) nach seinem Tode wandten, einige dieser sind folgende:

Aischas Bitte am Grab des Propheten (s.) gerichtet an den Propheten (s.) für die Beseitigung der Hungersnot und der Dürre.[9] Die Bitte eines Mannes zur Zeit Uthmans an den Propheten (s.), was ihm Uthman b. Hanif empfahl.[10] Bilal b. Hariths Bitte an den Propheten (s.) um Regen.[11] Einem Bericht zufolge lehrte Malik b. Anas in einem Gespräch mit Mansur Dawaniqi ihm das 'Wie der Audienz beim Propheten (s.) und das Mittlungsstreben an ihn'.[12]

Sicht der Sunniten

Die Mehrheit der sunnitischen Gelehrten halten die Bitte an Tote für zulässig, sie baten selbst große religiöse Persönlichkeiten um Fürsprache. Z.B.: Samhudi, schafi'itischer Gelehrter aus dem 10. Jahrhundert n.H., führt in seinem Buch Wafa' al-Wafa' bi Akhbar Dar al-Mustafa Berichte von Leuten an, die den Propheten (s.) um Fürsprache baten, wodurch ihre Bitte Erfüllung fand. Er ist der Überzeugung, dass Istaqasa (um Hilfe Bitten), Schafa'a (Fürsprache Einlegen) und Mittlungsstreben an den Propheten (s.) bei Gott eine Praxis der Propheten und Rechtschaffenen war und zu jeder Zeit gepflegt wurde, sowohl vor der Schöpfung als auch danach, zur Lebenszeit sowie im Barzakh.[13] Abu Ali Khalal sagte, jedesmal wenn er auf ein Problem stieß, begab er sich zum Grab von Imam al-Kazim (a.) und bat ihn um Fürsprache, woraufhin sein Problem beseitigt wurde.[14] Von Schafi'i wurde überliefert, dass er das Grab von Imam al-Kazim (a.) als „Heilmittel“ beschrieb.[15]

al-Alusi kommt in seiner Exegese, nach dem er einige historische Berichte und Überlieferungen bezüglich des Mittlungsstrebens langwierigen Analysen unterzog zu dem Schluss, dass es kein Hindernis gäbe Gott um etwas bei der Stellung des Propheten (s.) weder zu seiner Lebenszeit noch nach seinem Ableben zu bitten. Nach einer relativ ausführlichen Diskussion gesteht er, dass das Mittlungsstreben auch an andere außer dem Propheten (s.) erlaubt ist, unter der Bedingung, dass die gebetene Person tatsächlich eine hohe Stellung bei Gott hat.[16]

al-Asqalani überliefert das Ereignis, bei dem Umar b. al-Khattab Ibn Abbas ein Bittgebet für Regenfall gestand und dass das Bitten um Fürsprache bei Rechtschaffenen insbesondere der Ahl al-Bait (a.) eine empfohlene Praxis ist.[17]

Ansicht der Wahhabiten

Wahhabiten sehen die Bitten an Tote um Fürsprache für unzulässig und unlegitim an. Ibn Taimiyya (auf dessen Ansichten die Wahhabiten zugreifen) ist der Meinung, dass das Bitten um ein Bittgebet des Propheten (s.) und der Rechtschaffenen nur zu deren Lebzeiten korrekt war und nach ihrem Tod shirk ist.[18]

Antwort

Aus der Sicht der Befürworter des Mittlungsstrebens gibt es keinen Unterschied zwischen der Bitte um Fürsprache zur Lebzeit oder nach dem Tod der Heiligen. Genauso wie zur Lebzeit des Propheten (s.) und anderen Gott Nahestehenden sie zu bitten sind, für sie ein Bittgebet auszusprechen oder für sie um Vergebung zu bitten, genauso ist das auch nach ihrem Tod möglich.[19] Diesbezüglich wird folgender Vers herangezogen: Und wenn sie, wo sie sich selbst Unrecht zugefügt haben, zu dir kämen und dann Allah um Vergebung bäten, und der Gesandte für sie um Vergebung bäte, würden sie wahrlich Allah Reue-Annehmend und Barmherzig finden.(an-Nisa, Vers 64) Es umfasst die Lebzeit des Propheten (s.) als auch die Zeit nach seinem Tod.[20] Des Weiteren zeigt die Praxis der Gefährten, dass das Bitten der Toten um Fürsprache eine erlaubte Angelegenheit ist.[21]

Fußnoten

  1. Sobhani, Buhuth Quraniya fi at-Tauhid wa asch-Schirk, 1426 n.H., S.93.
  2. Sobhani, Buhuth Quraniya fi at-Tauhid wa asch-Schirk, 1426 n.H., S.111.
  3. an-Nawawi, al-Majmu’, 1421 n.H., B.8, S.274.
  4. Siehe: Makaraem Schirazi, Tafsir Nemuneh, 1380 n.i.S., B.4, S.365.
  5. Siehe: Nahj al-Balaqa, Weisheit 353, S.479.
  6. Ibn A’tham Kufi, al-Futuh, 1411 n.H., B.5, S.19.
  7. al-Majlisi, Bihar al-Anwar, 1403 n.H., B.84, S.285.
  8. al-Kulaini, al-Kafi, 1362 n.i.S., B.2, S.583.
  9. Darimi, Sunan ad-Darami, 1412 n.H., B.1, S.227.
  10. Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.195.
  11. Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.195.
  12. Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.195.
  13. Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.195.
  14. al-Baghdadi, Tarikh al-Baghdadi, 1417 n.H., B.1, S.133.
  15. al-Ka’bi, al-Imam Musa b. al-Kazim alaih as-Salam Sirah wa at-Tarikh, 1430 n.H., S.261.
  16. al-Alusi, Ruh al-Ma’ani fi Tafsir al-Quran al-’Azim, 1415 n.H., B.3, S.297.
  17. al-Asqalani, Fath al-Bari, 1397 n.H., B.2, S.497.
  18. Ibn Taymiyya, Majmu’a al-Fatawa, 1416 n.H., B.1, S.159.
  19. Siehe: Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.196-197.
  20. Ibn Taymiyya, Majmu’a al-Fatawa, 1416 n.H., B.1, S.159.
  21. Samhudi, Wafa’ al-Wafa’, 2006, B.4, S.195-197.

Quellenverzeichnis

  • al-Alusi, Sayyid Mahmud, Ruh al-Ma'ani fi Tafsir al-Quran al-'Azim, Forschung: Ali Abdulbari Atiyya, Beirut, Dar al-Kutub al-Ilmiya, 1. Auflg., 1415 n.H.
  • Ibn A'tham Kufi, al-Futuh, Beirut, Dar al-Azwa', 1. Auflg., 1411 n.H.
  • Ibn Taymiyya, Ahmad b. Abdulhalim, Majmu'a al-Fatawa, Forschung: Scheich Abdurrahman b. Qasim, al-Madinat an-nabawwiya, Majma' al-Malik Fahad, li Tiba'at al-Musahf asch-scharif, 1416 n.H.
  • Khatib al-Baghdadi, Ahmad b. Ali, Tarikh Baghdad, Beirut, Dar al-Kutub al-Ilmiya, 1417 n.H.
  • ad-Darimi, Abdullah b. Abdurrahman, Sunan ad-Darami, Forschung: Husain Salim Asad ad-Darani, al-Mamlikat al-arabiya as-Su'udiya, Dar al-Mughana li an-Naschr wa at-Tauzi', 1. Auflg., 1412 n.H.
  • Sobhani, Ja'far, Buhuth Quraniya fi at-Tauhid wa asch-Schirk, Qom, Mu'asisat Imam as-Sadiq (a.), 3. Auflg., 1426 n.H.
  • Samhudi, Ali b. Ahmad, Wafa' al-Wafa' bi Akhbar Dar al-Mustafa, Beirut, Dar al-Kutub al-Ilmiya, 2006.
  • al-Asqalani, Ibn Hajar, Fath al-Bari, Ta'liqat Abdul'ziz b. Abdullah Bin Baz, Beirut, Dar al-Ma'rifat, 1397 n.H.
  • at-Tabari, Sulaiman b. Ahmad, al-Mu'jam al-Kabir, Forschung: Hamdi b. Abdulmajid as-Salafi, Kairo, Maktabat b. Taymiyya, 2. Auflg., 1406 n.H.
  • Ka'bi, Ali Musa, al-Imam Musa b. al-Kazim alaih as-Salam, Sira wa Tarikh, Markaz ar-Risalah, 1430 n.H.
  • al-Kulaini, Muhammad b. Ya'qub, al-Kafi, Teheran, Entescharat Islamiya, 1362 n.i.S.
  • al-Majlisi, Muhammad Baqir, Bihar al-Anwar, Beirut, Dar Ihya' at-Turath al-Arabi, 3. Auflg., 1403 n.H.
  • Makarem Schirazi, Naser, Tafsir Nemuneh, Teheran, Dar al-Kutub al-Islamiya, 41. Auflg., 1380 n.i.S.
  • Nahj al-Balaqa, Forschung: Azizullah Atarudi, Teheran, Bonyad Nahj al-Balaqa, 1413 n.H.
  • an-Nawawi, Muhy ad-Din b. Scharaf, al-Majmu' Scharh al-Muhazzab, Beirut, Dar al-Fikr, 1421 n.H.