Lawh al-Mahfuz

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Lawh al-Mahfuz (Arabisch: اللوح المحفوظ) oder die wohlbehütete Tafel ist die wahre Stellung des Korans, worauf alle Ereignisse der Welt aufgezeichnet und unveränderbar sind. Kenntnis zu haben über die wohlbehütete Tafel ist zur Erkennung der Wahrheit des Korans von Bedeutung; Denn laut einigen Kommentatoren ist die wohlbehütete Tafel der Platz bzw. der Hauptort aller himmlischen Bücher, einschließlich des Korans. Die wohlbehütete Tafel wird als mit dem Wissen Gottes übereinstimmend und als unveränderlich befunden, auf der alle Geschehnisse der Welt regristriert sind. Die wohlbehütete Tafel unterscheidet sich von der Lawh Mahw wa Ithbat, worauf die Ereignisse der Welt nicht endgültig niedergeschrieben sind und Änderungen unterliegen können. Die wohlbehütete Tafel gilt als eine übernatürliche Angelegenheit, die sinnlich nicht erfassbar ist. Ihr wichtigstes Merkmal ist ihre Vollständigkeit. Eine Gruppe von Kommentatoren hält die wohlbehütete Tafel für eine Anspielung auf Gottes Wissen, eine andere Gruppe lehnt diese Ansicht jedoch unter Berufung auf einige Koranverse ab. Einige Philosophen übereinstimmten es mit Aql al-Fa'al oder Gabriel, aber diese Auffassung wurde als im Widerspruch zum Religionsgesetz im buchstäblichen Sinne bewertet und entbehre Beweisse sowohl im Koran und in den Überlieferungen.

Einige islamische Gelehrte glauben unter Bezugnahme auf Verse aus dem Koran, dass die vierzehn Unfehlbaren Kenntnis von der wohlbehüteten Tafel hatten. Andererseits betrachten einige Kommentatoren das Wissen über die wohlbehütete Tafel als ausschließlich Gott vorbehalten und außerhalb der Reichweite anderer Geschöpfe. Laut islamischen Gelehrten bedeutet die Aufzeichnung aller Ereignisse der Welt auf dieser Tafel nicht, dass der Mensch zu seinen Taten gezwungen wurde, denn seine Handlungen sind in derselben Art und Weise aufgezeichnet, wie sie stattfinden (freiwillig durchgeführt), wobei das Wissen Gottes die Realität nicht verändert.

Bedeutung der wohlbehüteten Tafel in islamischen Diskussionen

Lawh Mahfuz ist ein koranischer Begriff, der die wahre Stellung des Korans vor seiner schrittweisen Offenbarung an den Propheten (s.) impliziert.[1] Allameh Tabatabai, der Autor von Tafsir al-Mizan, glaubt, dass der in der wohlbehüteten Tafel enthaltene Koran für den Menschen nicht verständlich sei, deshalb sandte Gott ihn auf einer niedrigeren Ebene herab.[2] Laut Tabataba'i wurden alle dem Propheten (s.) offenbarten himmlischen Schriften aus Lawh Mahfouz entnommen, aus diesem Grund bezeichnet der Koran Lawh Mahfuz auch als Umm al-Kitab (das Originalbuch).[3]

Außerdem gilt die Kenntnis hinsichtlich der wohlbehüteten Tafel als wichtig für das Verständnis der Verse im Zusammenhang mit der Offenbarung des Korans, seiner Immunität gegenüber Verfälschungen und das der Koran eine Offenbarung ist.[4] Allama Majlisi, der Autor des Buches Bihar al-Anwar, präsentierte sie in seiner Erklärung, als eine Tafel, die mit Gottes Wissen übereinstimmt, auf der alle Ereignisse der Welt aufgezeichnet und nicht veränderbar sind.[5] Laut Ja'far Sobhani, ein schiitischer Kommentator, sind in dieser Tafel auch alle Ereignisse im Zusammenhang mit Menschen aufgezeichnet, die sicherlich noch geschehen werden.[6]

Gegenüber der wohlbehüteten Tafel gibt es eine weitere Tafel namens Lawh Mahw wa Ithbat, auf der die Ereignisse der Welt nicht endgültig aufgezeichnet sind und geändert werden können.[7]

Der Ausdruck Lawh Mahfuz kommt im Koran nur einmal in dem Vers „in einer wohlbehüteten Tafel“[Koran 1] vor.[8] Einige Kommentatoren sind der Ansicht, dass andere Verse aus dem Koran mit verschiedenen Begriffen auf Lawh Mahfuz hinweisen, wie beispielsweise „kitab mubin“ (Deutliches Buch),[9] „kitab maknun“ (Verborgenes Buch)[10] und „Umm al-Kitab“ (Urschrift des Buches)[11].[12]

Wahrheit und Natur

Lawh Mahfuz ist eine übernatürliche Angelegenheit und liegt außerhalb der Reichweite menschlicher Sinneswahrnehmungen.[13] Laut den schiitischen Kommentatoren Mohammad Hadi Ma'rifaet und Naser Makarem Schirazi ist Lawh Mahfuz eine Anspielung auf Gottes Wissen und aus diesem Grund ist dies nicht als ein materieller oder spiritueller Gegenstand (z. B. ein Behälter, eine Seite oder ein besonderer Ort) zu verstehen.[14] Mohammad Taqi Misbah Yazdi, der Autor des Buches „Qor'anschenasi“, hält diese Theorie jedoch für inkorrekt und glaubt, gemäß den Ausdrücken, welche der Koran bezüglich der Tafel geäußert hat (z. B. „bei Ihm ist der Kern des Buches.”), erschliesst sich der Punkt, dass mit dieser nicht die Essenz Gottes gemeint ist, sondern eine Schöpfung Gottes ist.[15] Einige Forscher stellten sechs Theorien darüber auf, was Lawh Mahfuz ist.[16] Es heißt, dass der Begriff Tafel und Feder dem Gleichnis oder der Reduktion dient und nicht mit Stift, Papier und gewöhnlichen Büchern etc. verglichen werden sollte.[17]

Aus philosophischer und mystischer Sicht

Einige Philosophen verbinden Lawh Mahfuz mit dem aktiven Intellekt (Aql fa'al), mit Gabriel[18] oder mit Nafs koli Falak a'zam (allumfassender Geist des Universums).[19] In der mystischen Kosmologie wird Stift als Quelle von Lawh Mahfuz angeführt.[20] Einer der berühmten Sufis, Muhiy ad-din Bin Arabi, glaubt, dass Gottes Wissen über die Schöpfung flüchtig bzw. allgemein ist und die Feder es detailliert auf der wohlbehüteten Tafel wiedergibt.[21] Einige Forscher betrachten jedoch die Anwendung von Lawh Mahfuz in Verbindung mit philosophischen Konzepten wie die abstrakte Essenz oder der erste Intellekt (Aql Awwal) als im Widerspruch stehend zum buchstäblichen Sinne des Religionsgesetzes, für die keine koranischen Beweise vorliegen und auch keine in den Überlieferungen.[22]

Eigenschaften

Das wichtigste Merkmal von Lawh Mahfuz ist seine Umfassenheit.[23] Der Überlieferung nach werden alle Nachrichten und Ereignisse der Welt mit einem Stift auf die wohlbehütete Tafel geschrieben.[24] Außerdem sind in den Überlieferungen einige äußere Merkmale (wie smaragdgrünes Aussehen)[25] für Lawh Mahfuz angegeben, wobei es sich bei diesen Merkmalen laut Allameh Tabatabai jedoch um eine Art Metapher handeln soll, die ein Bild von der wohlbehüteten Tafel liefert und es so in Übereinstimmung mit dem materiellen Verstand des Menschen verständlicher wird.[26]

Zugang zu Lawh Mahfuz für Wesen außer Gott

Manche Forscher zitieren Verse aus dem Koran und glauben, dass einige würdige Menschen in der Lage sind über Lawh Mahfuz Kenntnisse zu erlangen.[27] Diese Forscher setzen die Verse 77-79 der Sure al-Waqi'a[Koran 2] und Vers 33 der Sure al-Ahzab[Koran 3] neben einander und postulieren, dass die vierzehn Unfehlbaren zu diesen Menschen gehören.[28] Seyyed Ali Milani, ein Gelehrter der schiitischen Theologie, glaubt, dass einige Überlieferungen zeigen, dass die Imame (a.) eine direkte Verbindung zu Lawh Mahfuz haben.[29] Allamah Tabatabai verbindet das Wissen der Propheten und der Imame über das Verborgene mit dem Wissen über die wohlbehütete Tafel.[30]

Anderen Überlieferungen zufolge besitzt jedoch kein Geschöpf (nicht einmal die Propheten und die Imame) Kenntnisse über die wohlbehütete Tafel, sie befände sich nur im Besitz Gottes.[31] Mohammad Hadi Ma'refet glaubt unter Berufung auf eine Überlieferung von Imam Sadiq (a.), dass der Prophet und die Imame keinen Zugang zur wohlbehüteten Tafel haben.[32]

Kein Widerspruch zwischen der wohlbehüteten Tafel und dem freien Willen des Menschen

Laut islamischen Gelehrten bedeutet das Aufzeichnen aller Ereignisse der Welt auf der wohlbehüteten Tafel nicht, dass der Mensch keinen freien Willen besitzt.[33] Misbah Yazdi gibt im Buch Khodaschenasi den Einwand wieder, der besagt, die Aufzeichnung aller Ereignisse, einschließlich menschlicher Handlungen auf der wohlbehüteten Tafel widerspreche nicht dem Willen des Menschen.[34] Als Antwort auf diese Frage gibt er an, dass die Aufzeichnung aller menschlichen Handlungen auf der wohlbehüteten Tafel keinen Determinismus bedeute, da die Taten der Menschen auf dieser Tafel auf die gleiche Weise aufgezeichnet werden, wie sie geschehen (freiwillig) und Gottes Wissen verändert nicht die Realität.[35] Es ist wie bei einem Lehrer, der schon vor der Prüfung weiß, ob dieser oder jener Schüler die Prüfung bestehen oder nicht bestehen wird.[36]

Koranverse

  1. آیه فِي لَوْحٍ مَحْفُوظٍ
    Sure Buruj, Vers 22
  2. إِنَّهُ لَقُرْآنٌ كَرِيمٌ - فِي كِتَابٍ مَكْنُونٍ - لَا يَمَسُّهُ إِلَّا الْمُطَهَّرُونَ
  3. إِنَّمَا یُرِیدُ اللهُ لِیُذْهِبَ عَنْکُمُ الرِّجْسَ أَهْلَ الْبَیتِ وَ یُطَهِّرَکُمْ تَطْهِیراً
    Allah bezweckt die Befleckung von euch fernzuhalten, Angehörige des Hauses [Ahlulbait], und euch stets in vollkommener Weise rein zu halten

Fußnoten

  1. Kalantari, «Lawh Mahfuz», S.119
  2. Tabatabaee, Al-Mizan, B.10, S.138
  3. Tabatabaee, Al-Mizan, B.18, S.84
  4. DEhghani und Andere, «Ma'na-schinasi Lawh Mahfuz Dar Koran», S.6
  5. Majlisi, Mir'at al-Uqul, B.2, S.132
  6. Sobhani, Ma' al-Schia al-Imamiyya fi Aqa'idihim, S.144-145
  7. Majlisi, Mir'at al-Uqul, B.2, S.132
  8. Abdulbaqi, Al-Mu'jam al-Mofahris, S.653
  9. Sure An'am, Vers 59
  10. Sure Waqi'a, Vers 78
  11. Sure Zukhruf, Vers 4
  12. Sehen Sie: Ma'rifat, Al-Tamhid, B.3, S.34; Makarim Schirazi, Tafsir Nemune, B.26, S.354; Sobhani, Ma' al-Schia al-Imamiyya fi Aqa'idihim, S.144
  13. Kalantari, «Lawh Mahfuz», S.121
  14. Sehen Sie: Ma'rifat, Al-Tamhid, B.3, S.34; Makarim Schirazi, Tafsir Nemune, B.26, S.354
  15. Misbah Yazdi, Khodaschinasi, S.485
  16. Kalantari, «Lawh Mahfuz», S.122
  17. Ja'fari, «Bahthi Darbare Lawh Mahfuz», S.85
  18. Tahawoni, Kaschaf Istilahat al-Funun wa al-Ulum, B.2, S.1416
  19. Mulla Sadra, Al-Hikmat al-Muta'aliyya, B.6, S.295
  20. Zamani, «Jaygah Lawh wa Qalam Dar Jahan-Schinasi Irfani Ibn Arabi», S.119
  21. Ibn Arabi, At-Tadbirat al-Ilahiyya, S.108
  22. Ansari, «Lawh Mahfuz», S.1940
  23. Qolizade und Tawakoli, «Barresi Tatbighi Chisti Lawh Mahfuz», S.189
  24. Saduq, Ilal al-Scharaye, B.1, S.19
  25. Mofid, Al-Ikhtisas, S.49
  26. Tabatabaee, Al-Mizan, B.8, S.170
  27. Qarawiyan und Andere, Bahthi Mabsut Dar Amuzesch-e Aqayed, B.1, S.255-256
  28. Qarawiyan und Andere, Bahthi Mabsut Dar Amuzesch-e Aqayed, B.1, S.255-256
  29. Milani, Ba Pischwayan-e Hidayatgar, B.4, S.198
  30. Tabatabaee, Barresihaye Islami, B.1, S.195
  31. Saffar, Basa'ir al-Darajat, S.109-110
  32. Ma'rifat, At-Tafsir wa al-Mofasirun, B.1, S.513
  33. Misbah Yazdi, Khodaschinasi, S.487-488
  34. Misbah Yazdi, Khodaschinasi, S.487
  35. Misbah Yazdi, Khodaschinasi, S.487-488
  36. Tahmursi, «Lawh Mahfuz», S.533

Quellenverzeichnis