Ungläubigen ähneln
Ungläubigen ähneln (Arabisch: التشبُّه بالكُفّار) bedeutet, dass Muslime dem Verhalten der Ungläubigen sowohl im persönlichen als auch im gesellschaftlichen Kontext folgen, wobei einige dieser Handlungen von Rechtsgelehrten als unzulässig eingestuft werden. Die Nachahmung der Ungläubigen in wissenschaftlichen und industriellen Bereichen hingegen wird nicht als solche interpretiert. Manche vertreten die Ansicht, dass das Verbot den Ungläubigen nachzueifern eine rechtliche Regel darstellt, die zur Klärung unterschiedlicher Fragestellungen beiträgt.
Unter den Rechtsgelehrten existieren unterschiedliche Ansichten über das religiöse Urteil bezüglich der Nachahmung der Ungläubigen, die von absolutem Verbot über absolut verwerflich bis hin zu einem eingeschränkten Verbot reichen. Die schiitischen Juristen tendieren zur Meinung über ein eingeschränktes Verbot hinsichtlich der Nachahmung der Ungläubigen. Trotz der Akzeptanz von Argumenten, basierend auf dem Koran und den Überlieferungen und dem Verstand bezüglich eines absoluten Verbotes, erkannten sie den Allgemeinheitsgrad dieser Argumente nicht an.
Zur Untermauerung des Urteils bezüglich der Nachahmung der Ungläubigen wurden vier Argumente (Persisch: ادله اربعه) angeführt: Verse, die die Nachahmung der Ungläubigen strikt untersagen, Verse, die die Muslime davor warnen unter der Autorität der Ungläubigen zu stehen oder Freundschaften mit ihnen zu pflegen, sowie Verse, die ein Nachahmen nur in bestimmten Angelegenheiten verbieten. Darüber hinaus warnen einige Hadithe, allgemein gesehen, vor einer Nachahmung der Ungläubigen, während andere sich auf spezifische Themen in Bezug auf Nachahmung konzentrieren. Intellektuell wird die Nachahmung der Ungläubigen als ein Faktor angesehen, der deren Vorherrschaft über die Muslime in politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Belangen begünstigt.
Ähnlichkeit mit Ungläubigen und ihre Relevanz
Die Ähnlichkeit zwischen Muslimen und Ungläubigen bezieht sich auf die Tendenz, in verschiedenen Aspekten des persönlichen sowie gesellschaftlichen Lebens ähnliche Verhaltensweisen zu zeigen.[1] Aus religiöser Perspektive wird dieses Prinzip als unerwünscht erachtet, und es herrscht Einigkeit unter schiitischen und sunnitischen Gelehrten über dessen Ablehnung.[2] Dennoch gibt es Diskussionen unter islamischen Rechtswissenschaftlern hinsichtlich des Pflichturteils (Persisch: حکم تکلیفی) und einigen seiner Details.[3]
Es wird argumentiert, dass die Ähnlichkeit zu Ungläubigen keine bloße juristische Frage darstellt, sondern vielmehr eine Regel, die es dem Nachahmer anhand derer ermöglicht, die Urteile bezüglich verschiedener Themen in unterschiedlichen Rechtsrubriken für sich zu klären.[4]
Die Imami-Rechtsgelehrten diskutierten vor allem im Bereich des Gottesdienstes die Frage der Nachahmung der Ungläubigen. Dabei wurden Themen wie die Kleidung von Gläubigen, Dinge, die das Gebet ungültig machen und die Umrundung der Kaaba aufgegriffen, während andere Aspekte des individuellen und sozialen Lebens weniger Beachtung fanden.[5]
Religiöses Urteil zur Nachahmung von Ungläubigen
Das Rechtsurteil, das sich mit der Nachahmung von Ungläubigen beschäftigt, umfasst bei Schiiten und Sunniten unterschiedliche Aspekte, die von einem strikten Verbot bis zu absolut verpönt reichen.
Striktes Verbot: Diese Auffassung wird vorwiegend von Sunniten und nur von einigen Imami-Rechtsgelehrten vertreten.[7] Bei dieser Sichtweise wird jede Form der Nachahmung von Nicht-Muslimen durch Muslime (Ungläubige, Polytheisten, Menschen des Buches sowie Westler) für unzulässig erklärt, sowohl im persönlichen als auch im gesellschaftlichen Umgang[8]. Es wird betont, dass bei dieser Sichtweise das Verbot nicht davon abhängt, ob die Tat an sich erlaubt oder verboten ist, auch nicht von der Absicht und dem Wissen des religiös Verpflichteten, gleich ob diese Handlung durch einen Muslim oder einer islamischen Regierung vollzogen wird.[9]
Absolut verpönt: Sunniten, wie beispielsweise Schafi‘i[10] und Schiiten wie Scheich al-Mufid,[11], Muhaqqiq al-Hilli,[12] Allama al-Hilli[13] und Scheich Bahai[14] vertreten diese Meinung.[15] Ihrer Ansicht nach spielt, bei diesem Urteil , die Absicht sich ihnen ähneln zu wollen oder nicht keine Rolle.[16]
Eingeschränktes Verbot: Verfechter dieser Auffassung sind größtenteils Imami-Juristen.[17] Diese Gruppe erkennt zwar den Koran und die Hadithe sowie rationale Argumente für das Verbot der Nachahmung von Ungläubigen an, lehnt aber deren Anwendung als allgemein gültig ab.[18] Sie argumentieren, dass nur unter bestimmten Bedingungen es untersagt sei die Lebensweise von Ungläubigen nachzuahmen[19] :
- Die Nachahmung von Ungläubigen, absichtlich, um ihren Lebensstil zu propagieren, den Ungläubigen Respekt zu zollen, und um den Glauben an den Islam zu untergraben.[20]
- Die Nachahmung solle sich auf spezifische Verhaltensweisen der Ungläubigen beziehen, wie z.B. das Tragen des Kreuzes, nicht aber auf gemeinsame Angelegenheiten zwischen Muslimen und Ungläubigen.[21]
Hintergründe für die Nachahmung von Ungläubigen
Die Thematik der Nachahmung von Ungläubigen in der Rechtswissenschaft wurde aus zwei Perspektiven analysiert:[22]
Gottesdienst: Der Gottesdienst der Muslime sollte nicht den Methoden der Ungläubigen bezüglich Tradition und Kleidung ähneln[23]. In den Hadithen von Imam 'Ali (a.)[24] und Imam al-Baqir (a.)[25] wird erwähnt, das es verboten ist während des Gebetes Taten eines Majusis auszuführen.
Lebensstil: Der Einfluss der Ungläubigen im Lebensstil wird häufig in drei Hauptkategorien unterteilt: Kleidung, Kosmetik und Gebräuche. Gott hat beispielsweise in einem Hadith von Imam al-Sadiq (a.) die Gläubigen aufgefordert, das Tragen der Kleidung ihrer Feinde zu vermeiden.[27] Folglich ist das Tragen bestimmter westlicher Kleidung, wie z.B. Krawatten, untersagt.[28]
Nachahmung von Ungläubigen bei der Verwendung von Kosmetik. Gemäß eines Hadithes von Prophet Muhammad (s.) wurde muslimischen Männern untersagt sich wie die Majusis zu frisieren.[29] Die Nachahmung der Ungläubigen im Bereich der Bräuche ist ebenfalls von Bedeutung, z.B. warnte Imam al-Sadiq (a.) die Muslime davor während einer Trauerfeier zu essen, da dies der Verhaltensweise der Polytheisten in der Jahiliya-Zeit gleich komme.[30] Daher sind bestimmte westliche Traditionen, wie das Feiern des christlichen Neujahresfest[31] und des Valentinstages nicht erlaubt.[32]
Es wurde festgestellt, dass, aufgrund einer begrenzten Anzahl von Quellenausschnitten, in denen die Nachahmung der Ungläubigen in den religiösen Schriften thematisiert wird, ein generelles Verbot der Nachahmung von Ungläubigen im Bereich Wissenschaft und Industrie nicht in Betracht gezogen wird.[33]
Das Kriterium Beispiele von Nachahmung zu erkennen
Zu erkennen was eine Nachahmung ist und was nicht erfolgt durch ‚urf, demzufolge kann eine Angelegenheit zwar Nicht-Muslimen vorbehalten sein, aber dennoch gilt ihre Durchführung nicht als Nachahmung von Ungläubigen.[34] Zum Beispiel wird argumentiert, dass, obwohl Nowruz ein zoroastrisches Fest ist kein schiitischer Gelehrter in der Geschichte dieses Fest als eine Nachahmung der Ungläubigen betrachtete.[35] Im Gegensatz dazu wurden Praktiken wie das Rasieren des Barts, das Tragen einer Krawatte und die Nutzung einer Mikrofonanlage in bestimmten Epochen als Beispiele von Nachahmung der Ungläubigen angesehen.[36] Zudem sind viele Juristen der Ansicht, dass einige Fälle, die Ähnlichkeit mit dem Verhalten von Ungläubigen aufwiesen, im Laufe der Zeit aus den rechtlichen Rahmenbedingungen entfernt wurden und inzwischen ein verbreitetes Verhalten unter Muslimen und Nicht-Muslimen darstellt.[37]
Argumente zum Urteil bezüglich der Nachahmung von Ungläubigen
Um ein Urteil zur Nachahmung von Ungläubigen herzuleiten wurden vier Beweise angeführt.[38]
Koran und die Hadithe
Es gibt drei Arten von Koran-Versen, die sich mit der Nachahmung von Ungläubigen befassen:[39]
- Verse, die jegliches Nachahmen von Ungläubigen strikt verbieten, wie in Vers 105 der Sure Al-i Imran, Vers 47 der Sure al-Anfal und Vers 16 der Sure al-Hadid.[40]
- Verse, die es untersagen sich unter die Vormundschaft von Ungläubigen zu stellen oder freundschaftliche Beziehungen zu ihnen aufzubauen, wie in Vers 120 der Sure al-Baqarah, Vers 118 der Sure al-i Imran und Vers 115 der Sure an-Nisa, Vers 49 al-Ma’ida, Vers 51 und 52 und Vers 153 Sure al-An’am.[41]
- Verse, die bei bestimmten Angelegenheiten die Nachahmung von Ungläubigen untersagen, wie etwa in den Versen 104 und 105 der Sure al-Baqarah und Vers 31 der Sure al-A'raf.[42]
Überlieferungen, die sich mit der Nachahmung von Ungläubigen befassen lassen sich in allgemeine und spezifische Hadithe unterteilen.[43] Diese stammen vom Propheten (s.)[44] und von Imam Ali (a.)[45] und es gilt die Regel, dass jene, die nachahmen zu der nachgeahmten Gruppe zählen. Darüber hinaus gibt es spezifische Hadithe zu diversen Lebensbereichen, von Gottesdienst bis hin zu sozialen Verhaltensnormen. In einem Hadith von Imam al-Sadiq (a.) wird empfohlen die Höfe der Häuser zu fegen, um einer Nachahmung der Juden vorzubeugen.[46]
Weitere Argumente
Ibn Taimiyya, ein einflussreicher sunnitischer Gelehrter, der im Jahr 728 n.H. starb, vertrat die Ansicht, dass es einen allgemeinen Konsens über das Verbot der Nachahmung von Ungläubigen gebe.[47]
Aus rationaler Sicht wurden folgende Argumente für ein Verbot der Nachahmung von Ungläubigen angeführt:[48]
- Die Nachahmung von Ungläubigen könnte ihre Überlegenheit über die Muslime in politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten fördern.
- Historisch gesehen wurden Muslime häufig von den Gegnern besiegt und sich ihnen nicht ähnlich zu zeigen gilt als Widerstand.
In diesem Zusammenhang kommen auch bestimmten rechtlichen Prinzipien, wie der Regel Nafy Sabil und Sadd Zarayi‘ Bedeutung zu.[49] Die Bedeutung von Sabil (Mittel) in der erwähnten Regel wird als allgemein erachtet, wobei die kulturelle Dominanz der Ungläubigen als Beispiel für jene Mittel gilt.[50] Das Verbot der Nachahmung der Ungläubigen zählt auch zu Sadd Zarayi‘ bzw. zum Eindämmen verbotener Wege, wozu die Abhängigkeit von Ungläubigen, die Erniedrigung der Muslime und der Verlust ihres Selbstwertgefühls gehören.[51]