Ahl al-Kitab

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Ahl al-Kitab (Arabisch: اهل الکتاب, Leute des Buches) ist eine Bezeichnung für die Anhänger jener Religionen, deren Prophet ein göttliches zur Rechtleitung der Menschheit dienendes Buch besaß. Unter diese Kategorie fallen definitiv die Juden und die Christen. Diese Benennung in der islamischen Kultur betrifft zweifelsohne diese beiden Religionsgruppen. Ebenso werden die Anhänger von Religionen wie dem Zoroastrismus und dem Mandäismus von einigen Gelehrten den Leuten des Buches zugeordnet.

In mehreren Themenbereichen der islamischen Rechtslehre (fiqh) wie bei der rituellen Reinheit, des Gebets, Jihads, der Heirat, Jagd und Schlachtung werden die Urteile bezüglich der Leute des Buches aus verschiedenen Perspektiven heraus diskutiert. Den Leuten des Buches werden vonseiten des islamischen Regenten zweierlei Optionen vorgelegt, entweder den Islam anzunehmen oder sich zur Bezahlung der dhimma zu verpflichten. Sollten sie keine der beiden Alternativen akzeptieren, so ist der Jihad gegen sie obligatorisch.

In der Verfassung der Islamischen Republik Iran werden die Anhänger des Zoroastrismus, des Judentums und des Christentums als Ahl al-Kitab angesehen.

Bezeichnung

Die Benennung Ahl al-Kitab geht auf den Koran [1] und die Tradition (Sunnah) zurück.[2] Im Koran wird Ahl al-Kitab 31 Mal erwähnt, zumeist im Gegensatz zu den Gottbeigesellern. Folgende Ausdrücke kommen im Koran vor: "Ahl al-Kitab", "alladhin-a ataynahum al-kitab" (اَلّذینَ آتَیناهُم الکِتاب, diejenigen, denen wir das Buch gegeben haben), and "alladhin-a utu l-kitab" (اَلّذینَ اُوتُو الکِتاب, Und diejenigen, denen die Schrift gegeben wurde).

Umfang des Begriffes Ahl al-Kitab

Rechtsgelehrte verbinden unter Bezugnahme auf Koranverse und Überlieferungen den Begriff Ahl al-Kitab in erster Linie mit folgenden Gruppen: Juden, Christen, Majus (Zoroastrister), woraufhin Angehörige anderer Religionen wie die des Mandäismus dem Begriff Ahl al-Kitab hinzugefügt wurden. Daher werden die das Buch besitzenden Andersgläubige in Ahl al-Kitab also in Juden und Christen eingeteilt und in jene, bei denen der Besitz eines Buches vermutet wird, also die Majus, während letztere Gruppe bezüglich des Urteils – d.h. bezüglich der Annahme von jizya – wie die Ahl al-Kitab behandelt wird.[3] Darüber, ob die Samaritaner und die Sabi'un auch zu den Ahl- al-Kitab gehören oder nicht, besteht Unstimmigkeit.[4]

Juden

Juden sind die Anhänger von Moses (a.) und ihr göttliches Buch wird im Koran tawrat genannt. Im Koran innerhalb von mehreren Versen wird über Moses (a.), sein Buch und die Juden gesprochen und Moses (a.) als Gesandter Gottes, als einer der Ulu l-'Azm Propheten und als Kalim Allah vorgestellt, aber wie aus den Koranversen zu schliessen ist wurde der Teil der Verse der Tora, welche den Juden missfielen (wie die frohe Botschaft über das Aufkommen des Propheten des Islam etc.) entfernt oder verfälscht.[5]

Der Koran bezeichnet die Anhänger Moses (a.) mit „Bani Israil“ (Israeliten) [6] und gelegentlich auch mit „ya ayyuha l-lazin hadu“ (O, die ihr dem Judentum angehört) [7] und sie werden aufgrund ihres Verrats und Ungehorsams gegenüber Moses (a.) und auch nach ihm in der Zeit der Berufung des Propheten des Islam (s.) getadelt.

Christen

Christen sind Anhänger von Jesus (a.) und ihr göttliches Buch wird im Koran Injil (Evangelium) genannt. Das Christentum ist im Grunde genommen die Fortsetzung des Judentums und deshalb befasst sich das Evangelium mehr mit moralischen und gesellschaftlichen Fragen, während die religiösen Fragen der Christen auf Urteile von Tawrat verwiesen werden. Der Koran erwähnt in zahlreichen Koranversen die Mutter von Jesus, Maria (Mariam), als eine rechtschaffene Frau und Jesus als Geist Gottes.[8] Eine der Suren des Koran wurde sogar nach seiner Mutter benannt. Der Koran bezeichnet in verschiedenen Versen das Evangelium als ein Buch, in dem die Gesetze Gottes vorhanden waren und zur Rechtleitung und Glückseligkeit der Menschheit herabgesandt wurde. Beim Vergleich zwischen den Juden und Christen werden die Anhänger von Jesus (a.) angesichts ihrer guten Eigenschaften gepriesen.[9]

Majus (Zoroastrister)

Hauptartikel: Zoroastrismus

Majus sind jene, welche im Koran in die Reihe der Juden, Christen und Mandäer bezüglich des Begriffes Ahl al-Kitab eingereiht werden, allerdings besteht Zweifel über ihren Glauben an die Einzigkeit Gottes und ihr göttliches Buch, der Koran erwähnt nicht ihr Buch – aber heute beziehen sich die Rechtsgelehrten auf den Vers 17 der Sure al-Hajj und auch auf einige Überlieferungen der Imame (a.), behandeln sie wie die Ahl al-Kitab und lassen die Urteile bezüglich der Ahl al-Kitab auch bei ihnen Gültigkeit finden.

Mandäismus

Hauptartikel: Sabi'un

Die Mandäisten haben mehrere Bücher und sind im Glauben, dass der Prophet Johannes (a.) (Yahya) ihnen das Buch vor 2000 Jahren in seiner jetzigen Form als Übertragung von früheren Propheten, Adam (a), Noah (a) und Seth (a), überbrachte. Der Koran bezieht sie in die Ahl al-Kitab und die Gottgläubigen mitein: Gewiß, diejenigen, die glauben, und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Christen und die Ṣābier.[10] Aber ob damit auch die heutigen Ṣābier – die auch Muqassala und Mandäisten genannt werden und in den südwestlichen Teilen Irans und den südöstlichen Teilen Iraks am Rande der Flüsse Tigris und Karche leben – gemeint sind, also diejenigen sind, die der Koran erwähnt gibt es Zweifel.

Ahl al-Kitab und der Islam

Obwohl der Koran den Islam als den Weg der Glückseligkeit für alle Weltbewohner präsentiert und mit Nachdruck die Leute des Buches zur Annahme des Islam aufruft, so verpflichtet er sie aber nicht ihn gezwungenermaßen anzunehmen. Zwei Verse im Koran beinhalten „die Religion bei Gott ist der Islam“und "Gewiß, die Religion ist bei Allah der Islām."[11] "Wer aber als Religion etwas anderes als den Islām begehrt, so wird es von ihm nicht angenommen werden, und im Jenseits wird er zu den Verlierern gehören."[12] Diese Verse haben neben den Versen, welche die Leute des Buches betreffen einige Schwierigkeiten bei der Interpretation hervorgerufen. Muslimische Gelehrte vertreten bezüglich dieser beiden Verse und jener Verse des Korans, in denen die Gläubigen von den Leuten des Buches als Selige betrachtet werden, zweierlei Sichtweisen: Stützend auf diese beiden Verse sieht ein Teil der Gelehrten den Respekt gegenüber den Leuten des Buches nur das Diesseits betreffend an, und betrachtet die Leute des Buches größtenteils als Verlierer im Jenseits. Bezüglich den Versen, welche auf die Errettung der Gläubigen von den Leuten des Buches hinweisen, so meint diese Gruppe von Gelehrten, das es jene beträfe, die den Islam annehmen würden. Eine andere Gruppe von Exegeten ist der Ansicht, dass mit Islam in den beiden Versen die monotheistische Religion mit einer umfassenderen Bedeutung gemeint sei, welche Abraham (a.) propagierte. Sie beziehen sich dabei auf den koranischen Inhalt, in dem Abraham (a.) die Monotheisten als „Muslim“ bezeichnete.[13] Diesen Gelehrten nach ist jeder, der nach der Wahrheit strebt und gegenüber dem Recht und der Vernunft ergeben ist, ein Muslim. Wenn eine wahrheitssuchende und gegenüber dem Verstand und der Fitra demütige Person aus einigen Gründen nicht zur Wahrheit gelangt, so fällt diese in die Gruppe des Islam, selbst wenn man sich selbst als Jude oder Christ ansieht. Jedenfalls gibt es einen gemeinsamen Nenner unter den Gelehrten, nämlich, dass der Umgang des Islam mit den Leuten des Buches zumindest im Diesseits einhergeht mit Frieden und Respekt. Sogar die heiligen Stätten der Leute der Schrift werden vom Koran respektiert, diesbezüglich sollte auf einen Vers hingewiesen werden, in dem die Gebetsstätten der Leute des Buches neben den Moscheen erwähnt werden, und betont, dass all dies Orte sind, an denen Gottes gedacht wird.[14]

Religiöse Urteile in Bezug auf die Leute des Buches

Rituelle Reinheit der Leute des Buches

Unter den muslimischen Rechtsgelehrten bestehen bezüglich der rituellen Rein- und Unreinheit der Leute des Buches Meinungsunterschiede:

1. Einige sind der Ansicht, dass die Körper der Ungläubigen von den Leuten des Buches, so wie bei den Muschrikun rituell unrein und zu vermeiden sind. Die ist mehrheitliche Meinung der Rechtsgelehrten.

2. Andere wiederum sehen sie als rituell rein an.[15]

Gründe für die erste Ansicht: 1. Es besteht Konsens unter schiitischen Rechtsgelehrten. 2 . Koran, Sure at-Tauba, Vers 30 3 . Mehrere Überlieferungen implizieren, dass die Leute des Buches als rituell unrein gelten. Festgehalten sind diese Überlieferungen in dem Werk Wasa'il asch-schi'a.

Gründe für die zweite Meinung: 1. Als Urprinzip gilt, dass alles rein angesehen werden soll, solange man über dessen Urteile nicht kundig ist. 2. Koran Sure al-Ma'ida Vers 5 "Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Und die Speise derjenigen, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt, und eure Speise ist ihnen erlaubt." 3. Auf die rituelle Reinheit der Leute des Buches verweisen zahlreiche Überlieferungen, was die Gelehrten dazu veranlasste, andere Überlieferungen, die das Gegenteil implizieren, derart auszulegen, dass es sich hier vielmehr um eine Verwerflichkeit (kiraha) handelt, nicht um ein Verbot.

Siehe auch: Die rituelle Unreinheit der Ungläubigen

Die Totenwaschung eines Muslim von einem der Leuten des Buches

Die von Rechtsgelehrten mehrheitlich vertretene Meinung ist, dass die Totenwaschung eines Muslimen von einem der Leute des Buches erlaubt ist – insofern niemand anderer anwesend ist.[16]

Der Umgang des islamischen Regenten mit den Leuten des Buches

Den Leuten des Buches werden vonseiten des islamischen Regenten zweierlei Optionen vorgelegt, entweder den Islam anzunehmen oder sich zur Bezahlung der dhimma zu verpflichten. Sollten sie keine der beiden Alternativen akzeptieren, so ist der Jihad gegen sie obligatorisch.[17]

Die Eheschliessung mit Leuten des Buches

Über die Zulässigkeit der Eheschliessung eines muslimischen Mannes mit einer Frau von den Leuten des Buches besteht Unstimmigkeit. Die Mehrheit der späteren Rechtsgelehrten sind der Meinung, dass eine Zeitehe mit jüdischen und christlichen Frauen erlaubt, eine unbefristete Ehe mit ihnen jedoch verboten ist.[18] Ali b. Babawai al-Qummi, sein Sohn Scheich as-Saduq, Ibn Abi Aqil Ammani und Sayyid ar-Razi von den früheren Gelehrten, und spätere Gelehrte wie Schahid ath-Thani und Sahib al-Jawahir sehen eine Eheschliessung als zulässig an.[19]

Die Rechte einer Frau von den Leuten des Buches, die mit einem muslimischen Mann verheiratet ist

Eine Frau von den Leuten des Buches geniesst all die Rechte, die aus einer Ehe mit einem muslimischen Mann hervorgehen, ausgenommen ist das Erben.[20]

Von den Leuten des Buches geschlachtete Tiere

Ein von den Leuten des Buches geschlachtetes Tier ist laut der Ansicht der mehrheitlichen Rechtsgelehrten verboten, wenngleich sie während der Schlachtung Gottes Namen erwähnen. Eine Minderheit der Rechtsgelehrten wie Ibn al-Junaid al-Askafi, Ibn Abi Aqil Ammani, Scheich as-Saduq und Schahid ath-Thani glauben daran, dass es erlaubt ist. [21]

Fußnoten

  1. Siehe: Sure al-Bayyina, Vers 6.
  2. Hurr al-Amili, Wasa’il asch-Schi’a, 1414 n.H., B.15, S.126.
  3. Najafi, Jawahir al-Kalam, 1394 n.H., B.21, S.228; Tabatabai, Riyath al-Masa’il, 1420 n.H., B.7, S.468-469; Bahrani, al-Hada’iq an-Nazira, 1985, B.24, S.18.
  4. Bahrani, al-Hada’iq an-Nazira, 1985, B.24, S.22-24.
  5. Sure al-Baqara, Vers 75; an-Nisa’, Vers 46; Sure al-Ma’ida, Vers 13, Sure al-An’am, Vers 91.
  6. Sure al-Baqara, Vers 122-140.
  7. Sure al-Jumu’a, Vers 6.
  8. Sure an-Nisa’, Vers 75.
  9. Sure al-Ma’ida, Vers 81.
  10. Sure al-Baqara, Vers 62.
  11. Sure Al-I Imran, Vers 19.
  12. Sure Al-I Imran, Vers 85.
  13. Sure al-Hajj, Vers 78.
  14. Sure al-Hajj, Vers 42.
  15. Najafi, Jawahir al-Kalam, 1394 n.H., B.6, S.41-42.
  16. Najafi, Jawahir al-Kalam, 1394 n.H., B.4, S.59-61.
  17. Ruhani, Fiqh as-Sadiq, 1389 n.i.S., B.13, S.50-52.
  18. Bahrani, al-Hada’iq an-Nazira, 1985, B.24, S.5.
  19. as-Saduq, al-Mughni’, 1324 n.H., S.26, 35; al-Hilli, Mukhtalif asch-Schi’a, 1323 n.H., S.530, 679; Schahid ath-Thani, Masalik al-Afham, 1416 n.H., B.7, S.431-432; Najafi, Jawahir al-Kalam, 1394 n.H., B.30-31
  20. Muhaqqiq Karaki, Jami’ al-Maqasid, 2008, B.12, S.392.
  21. Najafi, Jawahir al-Kalam, 1394 n.H., B.36, S.80.

Quellenverzeichnis

  • as-Saduq. Muhammad b. Ali, al-Mughni', al-Jawami' al-Fiqhiya, Teheran, Bina, 1324 n.H.
  • Isfahani, Abulhasan, Wasilat an-Najat, Qom, Bina, 1393 n.H.
  • Bahrani, Yusuf, al-Hada'iq an-Nazira fi Ahkam al-Itrat at-Tahira, Beirut, Dar al-Azwa', 1985.
  • Pakatchi, Ahmad, „Ahl Ketab“, Daneschnameh bozorg-e Islami, Teheran, Markaz Da'irat al-Ma'arif bozorg islami, 1380 n.i.S.
  • Hurr al-Amili, Muhammad b. al-Hasan, Wasa'il asch-Schi'a, Qom, Mu'asisat Al-i al-Bait li Ihya' at-Turath, 1414 n.H.
  • al-Hilli, Hasan b. Yusuf, Mukhtalif asch-Schi'a, Teheran, Bina, 1323 n.H.
  • Ruhani, Muhammad Sadiq, Fiqh as-Sadiq, Qom, Mu'asisa al-Imam Ruhani, 1389 n.i.S.
  • Schahid ath-Thani, Zain ad-Din, Masalik al-Afham, Qom, Mu'asisat al-Ma'arif al-islamiya, 1416 n.H.
  • Najafi, Muhammad Hasan, Jawahir al-Kalam, mit der Bemühung von Mahmud Quchani, Teheran, Bina, 1394 n.H.
  • Tabatabai, Ali, Riyaz al-Masa'il, Qom, Mu'asisat an-Nascht al-Islami, 1420 n.H.
  • Muhaqqiq Karaki, Ali b. Husain, Jami' al-Maqasid fi Scharh al-Qawa'id, Qom, Mu'asisat Al-i al-Bait (a.) li Ihya' at-Turath, 2008.