Ikmal-Vers

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Der Ikmāl-Vers (Arabisch: آية الإكمال) ist der dritte Vers der Sure al-Māʻida, welcher im Zusammenhang mit dem Ġadīr-Ereignis dem Propheten Muḥammad offenbart wurde. In diesem Vers heißt es, dass mit der Offenbarung desselben die Religion vollendet ist und die Gnade Gottes erfüllt wurde. An welchem Tag der Vers herabgesandt wurde ist umstritten. Einige sind der Meinung, es war der Tag ʻArafa und andere gehen davon aus, es wäre der 18. Ḏu al-Ḥiğğa 10 Jahre nach der Hiğra gewesen. Die Schiiten sind der Überzeugung, dass der Anlass für die Herabsendung dieses Verses das Ereignis Ġadīr Ḫum und die Wilāya Imam ʻAlīs (a.) betraf.

Der Vers

Zeit der Offenbarung

In schiitischen und sunnitischen geschichtlichen Quellen sowie in Überlieferungssammlungen gibt es lediglich zwei Gruppen von Überlieferungen, welche Angaben zu dem Zeitpunkt der Offenbarung des Ikmāl-Verses machen. Dass der Vers zur Zeit der letzten Pilgerfahrt des Propheten Muḥammads (s.) nach Mekka (Ḥağğat al-Widāʻ) offenbart wurde ist unbestreitbar, aber manche gehen davon aus, es geschah am Tag ʻArafa und andere wiederum meinen es war zur Zeit des Ġadīr Ergeignisses.

ʻArafa-Tag

Hauptartikel: Arafa

Kuleinī führt in seinem Buch Al-Kāfī eine Überlieferung an, welche besagt, dass der Vers am Tag «ʻArafa» und mit dem Anlass der Verkündigung der Wilāya Imam ʻAlīs (a.) herabgesandt wurde.[1] Allāmah Mağlisī hält die Authentizität der Überliefererkette (Sanad) dieser Überlieferung für zweifelhaft und den Inhalt für fraglich.[2] ʻAyāšī zitiert in seinem Tafsīr Imam aṣ-Ṣādiq folgendermaßen:

„Als der Gesandte Gottes (s.) sich am Freitag im Gebiet ʻArafāt niederließ, kam der Engel Gabriel zu ihm und sagte: ‚Gott grüßt dich und sagt: ‚Sage deinem Volk (Ummah) ‚Heute habe ich euch eure Religion vervollständigt und euch den Islam zum Glauben erwählt‘.“[3]

In dieser Überliefererkette taucht der Name Ğaʻfar ibn Muḥammad Ḫuzāʻī auf, dessen Besitzer Identität unklar ist.[4] Ebenfalls bezeugen einige der sunnitischen Quellen, darunter auch die Koranexege von Ibn Kaṯīr und sein Werk bezüglich der islamischen Geschichte, dass dieser Vers am ʻArafa-Tag herabgesandt wurde.[5]

18. Ḏu al-Ḥiğğa

Den Überlieferungen zufolge soll der Vers am Ġadīr-Tag oder kurz danach offenbart worden sein. Diese Überlieferungen sind in den schiitischen Quellen über mehrere glaubwürdige Überliefererketten angeführt.[6] In manchen Quellen der Sunniten wurde auf die Herabsendung des Verses am Ġadīr-Tag hingewiesen, währenddessen einige der sunnitischen Gelehrten dies als schwach einordnen.[7]. Wiederum wurden die Überlieferer der Überliefererkette dieser Hadiṯe von sunnitischen Gelehrten der Riğāl-Wissenschaft (Ilm ar-Riğāl; Wissenschaft über die Überlieferer von Hadiṯen) als verlässlich eingeordnet. ʻAlāmih Amīnī hat jede Person der Überliefererketten dieser Überlieferungen nach Kriterien der sunnitischen Richtung studiert und ihre Authentizität bestätigt.[8]

Vereinbarkeit der beiden Tage

Manche glauben, dass dieser Vers zweimal herabgesandt worden sei; einmal am ʻArafa-Tag, wobei der Prophet (s.) aus gewissen Gründen besorgt war diesen zu verkünden und dann der Tablīġ-Versoffenbart wurde wobei Gott dem Propheten (s.) versicherte, ihn zu beschützen. Dann am Ġadīr-Tag wurde der Ikmāl-Vers ein weiteres Mal hinabgesandt.[9].

Anlass der Offenbarung

Schiitische Meinung

Unter den schiitischen Gelehrten besteht bezüglich des Anlasses der Offenbarung des Ikmāl-Verses Konsens darüber, dass dieser im Zusammenhang mit dem Ġadīr-Ereignis und der Wilaya Imam ʻAlīs (a.) stünde.[10]

Sunnitische Meinung

In einigen Quellen der Ahl as-Sunnah steht, dass der Vers am Arafa-Tag herabgesandt worden ist.[11]ʻAlāmiḥ Amīnī schrieb in seinem Buch Al-Ġadīr und Mīr Ḥāmid Ḥussein in seinem Werk ʻAbaqāt al-Anwār aufgrund ihrer Forschung, dass in den Büchern der Ahl as-Sunnah eine Menge von Beweisen angeführt sind, die bestätigen, dass dieser Vers im Zusammenhang mit Imam ʻAlī (a.) offenbart worden sei.

Analyse des Verses

Mit der Herabsendung des Tablīġ-Verses in Ġadīr Ḫum ernannte der Prophet (s.) Imam ʻAlī (a.) zum Wali und zum Khalif. Kurz darauf wurde der Ikmāl-Vers herabgesandt. Der Prohpet (s.) sagte anschließend:

Aufgrunddessen ist die Wilāyah Imam ʻAlīs (a.) die letzte Pflicht des Propheten (s.), die herabgesandt worden ist. Danach wurde nichts mehr offenbart, was diese Angelegenheit betrifft außer der Ikmāl-Vers.[13]

Wort Erläuterung

Heute (al-Yaum)

  • Die Eroberung Mekkas: Einige glauben, dass es der Tag der Eroberung Mekkas war.[14] Aber angesichts der Tatsache, dass die Vervollständigung der Religion von der Vervollständigung ihrer Gesetze abhängig ist, ist diese Annahme nicht akzeptabel, denn ein Großteil dieser Gesetze ist erst nach der Eroberung der Stadt Mekka eingeführt worden.[15]
  • Nach der Tabūk-Schlacht: Der Grund, der dafür angegeben wurde, ist die Herabsendung der Sure at-Tauba und die Vernichtung der Tradition der Zeit der Dschāhilīya (die Zeit des altarabischen Heidentums vor dem Islam).[16]. Diese Meinung kann ebenfalls nicht korrekt sein, weil nach der Sure at-Tauba die Sure Māʻida offenbart wurde, die einige Gesetzgebungen enthält.[17]
  • Der ʻArafa-Tag: Buḫārī, Muslim und einige andere sunnitische Gelehrte sind angesichts ihrer Quellen der Meinung, dass mit «al-Yaum» (der Tag) der Tag «ʻArafa» gemeint ist.[18], Was jedoch auch nicht akzeptabel ist, da nach dem Tag «ʻArafa», zehn Jahre nach der Hiğra, Gesetzgebungen erfolgten; z.B. sagt ʻUmar ibn Ḫaṭṭāb, dass das Zinsverbot nach der Ḥağğat ul-Widāʻ (die letzte Pilgerfahrt des Propheten (s.) nach Mekka) offenbart wurde.[19]
  • Der Ġadīr-Tag: Das Einzige, was als die Vervollständigung der Religion und die Vollendung der Gnade Gottes bezeichnet wird und in die Hoffnungslosigkeit der Ungläubigen münden könnte, ist die an dem Ġadīr-Tag verkündete die Wilaya von Imam ʻAlī (a.).


Der Unterschied zwischen Vollständigkeit und Vollkommenheit

Etwas ist vollständig, wenn dessen Bestandteile in ihre Rangordnung eingefügt sind, sonst ist es unvollständig. Wenn der letzte Bestandteil hinzugefügt wird, vervollständigt es sich.

Vollkommen bedeutet aber nicht, dass etwas unvollkommen ist wenn ein Teil fehlt, es ist auch möglich, dass alle zueinandergehörende Teile vorhanden sind und es trotzdem nicht vollkommen ist.

Im Grunde genommen ist der Unterschied zwischen der Vollständigkeit und der Vollkommenheit ein qualitativer und quantitativer. Zum einen sagt der Qurʻān, heute habe ich euch eure Religion vervollständigt und zum anderen sagt er, heute habe ich meine Gnade an euch vervollkomnet.[20]

Weblinks

Fußnoten

  1. Kuleinī,Al-Kāfī, B. 1, S. 259.
  2. Mağlisī, Biḥār al-Anwār, B. 4, S. 259-261.
  3. ʻAyāšī, Kitāb at-Tafsīr, B. 2, S. 9, Überlieferung 1108.
  4. Ḫuyī,Muʻğam Riğāl al-Ḥadīṯ, B. 4, S. 126, Nummer 2296.
  5. Ibn Kaṯīr, Tafsīr al-Qurʻān al-ʻaẓīm, B. 2, S. 12-13; al-Bidāya wa an-Hahāya, B. 5, S. 155.
  6. Al-Kāfī, B. 1, S. 289-292; Baḥrānī, al-Burhān fī tafsīr al-Qurʻān, B. 1, S. 434-447
  7. Al-Kāfī, B. 1, S. 289-292; Baḥrānī, al-Burhān fī tafsīr al-Qurʻān, B. 1, S. 434-447
  8. Amīnī, al-Ġadīr, B. 1, S. 294-298
  9. Aṣ-Ṣaḥīḫ,B. 31, S. 311
  10. Al-Mīzān, B. 5, S. 169 und danach; Ḥuweyzī, Nūr aṯ-Ṯaqalein, B. 1, S. 590.
  11. Al-Yaqīn, Kapitel 127, S. 344; Anwār at-Tansīl, B. 1, S. 255; Ālūsī, Rūḥ al-Maʻānī, B. 4, S. 90 - 91
  12. Al-Mīzān, B. 5, S. 169 und danach; Ḥuweyzī, Nūr aṯ-Ṯaqalein, B. 1, S. 590.
  13. Baḥrānī, Al-Burhān, B. 1, S. 424.
  14. Tafsīr Samarqandī, B. 1, S. 393, zitiert von Aṣ-Ṣaḥīḥ min Sirah an-Nabī al-aʻẓam, B. 31, S. 304; Al-Ğāmiʻ ul-Aḥkām al-Qurʻān Qurṭubī, zitiert von min Sirah an-Nabī al-aʻẓam, B. 31, S. 304
  15. Aṣ-Ṣaḥīḥ, B. 31, S. 304
  16. Al-Mīzān, B. 5, S. 169
  17. Aṣ-Ṣaḥīḥ, B. 31, S. 305
  18. Aṣ-Ṣaḥīḥ, B. 31, S. 305
  19. Ṣaḥīḥ Muslim, B. 2, S. 81 und B. 5, S. 8; Al-Ġadīr, B. 6, S. 127
  20. Imāmat wa Rahbarī (die Imāma und die Führerschaft), S. 88-89

Quellenverzeichnis

  • Ālūsī, Maḥmūd, Rūḥ al-Maʻānī fī Tafsīr al-Qurʻān al-ʻAṭīm wa as-Sabʻ al-Maṯānī, Taṣḥīḥ Muḥammad Ḥussein al-ʻArab, Dār ul-Fikr, Beirut, 1417/1996.
  • Ibn Kaṯīr, Al-Bidāya wa an-Nahāya, Taḥqīq ʻalā Nağīb ʻAṭwī und andere, Dār ul-Kutub al-ʻIlmīya, Beirut, 1408/1987.
  • Ibn Kaṯīr, Ismāʻīl, Tafsīr al-Qurʻān al-ʻAṭīm (Tafsīr Ibn Kaṯīr, Beirut, 1402/1981.
  • Amīnī, ʻAbdulḥussein, al-Ġadīr fī al-Kitāb wa as-Sunnah wa al-Adab, Teheran, 1407/1987.
  • Baḥrānī, Sayyid Hāšim, al-Burhān fī Tafsīr al-Qurʻān, Qum, Muʻasasa al-Biʻṯa, 1415/1994.
  • Beyḍāwī, ʻAbdallah, Anwār at-Tanzīl wa Asrār at-Taʻwīl (Tafsīr Beyḍāwī), Dār ul-Kutub al-ʻIlmīya, Beirut, 1408/1987.
  • Ḥağ Sayyid Ğawādī, Aḥmad Ṣadr und andere, Enzyklopädie des Schiitentums, Teheran: Märtyrer Saʻīd Muḥibbī Verlag, 1416/1996.
  • Ḥaskānī, Ḥākim, Šawāhid at-Tanzīl, Ğāp wa Našr Verlag, 1411/1991.
  • Ḥuweyzī, ʻAbd Aʻlī, Nūr aṯ-Ṯaqalein, Taṣḥīḥ Sayyid Hāšim Anṣārī, 1390/1970.
  • Ḥusseinī Istarābādī, Sayyid Šaraf ad-Dīn, Taʻwīl al-Āyāt aṭāhira, Qum: Ğāmiʻa Mudarisīn, 1409/1988.
  • Ḫūyī, Sayyid Abūlqāsim, Muʻğam Riğāl al-Ḥadīṯ wa Tafṣīl Ṭabaqāt ar-Ruwāt, Faltblätter von Ayatollah Ḫūyī, Qum, 1403/1982.
  • Sayyid ibn Ṭāwūs, Aṭ-Ṭarāʻīf, Qum: Ḫayyām Druckerei, 1400/1979.
  • Sayyid ibn Ṭāwūs, Ibn Ṭāwūs, ʻAlī, al-Yaqīn bi iḫtiṣāṣ maulānā ʻalā bi imraʻat al-Muʻminīn, Taḥqīq Anṣārī, Qum, Dar ul-Kitāb, 1413/1992.
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  • Ṭabāṭabāʻī, Muḥammad Ḥussein, al-Mīzān fī Tafsīr al-Qurʻān, Manšurāt Ğamāʻat al-Mudarisīn bi Qum.
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  • ʻAyyāšī, Muḥammad, Kitāb at-Tafsīr, Taḥqīq Muʻasasa al-Biʻṯa, Qum, 1412/1991.
  • Kuleinī, Muḥammad ibn Yaʻqūb, Al-Kāfī, Taṣḥīḥ ʻAlī Akbar Ġaffārī, Dar ul-Kutub al-Islāmīya, Teheran, B. 3, 1388/1968.
  • Mağlisī, Muḥammad Bāqir, Biḥār al-Anwār al-Ğāmiʻa li durar al-Aḫbār al-ʻAima al-Aṭhār, Širkat Ṭabʻ Biḥār al-Anwār, Teheran.
  • Muṭahharī, Murtaḍā, Imāmat wa Rahbarī (die Imāma und die Führung), Teheran: Ṣadrā Verlag, 1407/1987.