Verborgenheit von Imam al-Mahdi (a)

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Die Verborgenheit Imam al-Mahdis (aj.) gehört zu den speziellen Überzeugungen der Zwölferschiiten. Gemäß schiitischer Lehren werden Imam al-Mahdi (aj.) zwei Verborgenheiten zugesprochen: Zum einen die kleine Verborgenheit, welche 69 Jahre andauerte und zum anderen die große Verborgenheit, die bis zu seiner Wiederkunft andauern wird.

Dem Glauben der Schiiten nach hielt der Imam in der Zeit der kleinen Verborgenheit durch einige Personen seinen Kontakt zu den Schiiten aufrecht, diese Personen nennt man die an-Nuwwab al-Arba'a (die vier Stellvertreter). Aber während der großen Verborgenheit wurde der äußere Kontakt des Imams mit der schiitischen Gemeinschaft abgebrochen und es heißt, Schiiten sollen sich bezüglich religiöser Angelegenheiten an Hadithüberlieferer und an die schiitischen Gelehrten wenden. Dennoch wurde die große Verborgenheit des Imams in den schiitischen Überlieferungen mit einer hinter den Wolken befindlichen Sonne verglichen, von der die Menschen stets profitieren.

Über den Grund für die Verborgenheit ist in den Überlieferungen der schiitischen Imame so einiges angeführt, darunter auch "ein Test für die Schiiten." Schiitische Gelehrte haben zur Erörterung der Frage um die Verborgenheit zahlreiche Bücher geschrieben, die bekanntesten sind al-Ghaiba von an-Nu'mani und al-Ghaiba von Scheich at-Tusi.

Definition

Der Glaube an die Verborgenheit des zwölften Imams ist eine der speziellen Überzeugungen der Schiiten gegenüber den Sunniten. Laut Schiiten betrifft die Verborgenheit das Leben Imam al-Mahdis (zwölfter Imam der Shia) im Versteck.[1] Schiiten sind ebenso der Überzeugung, dass der Imam auf Gottes Geheiß bis zu seiner Wiederkunft, Zeitpunkt unbekannt, in Verborgenheit verweilen wird.[2]

Art der Verborgenheit

Über die Art der Verborgenheit des zwölften Imams werden Vermutungen angeführt:

  1. Verstecktsein des Körpers (Unsichtbar): Der Körper von Imam al-Mahdi (aj.) wird von den Menschen nicht gesehen und diese Unsichtbarkeit erfolgt durch ein Wunder.[3] Dieser Ansicht nach sieht Imam al-Mahdi (aj.) die Menschen, wenngleich die Menschen ihn nicht sehen. Laut Sayyid Muhammad Sadr ist diese Ansicht die einfachste und akzeptabelste über sein Verstecktsein und seinen Schutz vor Unterdrückern.[4] Sadr hält die obige Auffassung für kompatibel mit der wörtlichen Bedeutung von Verborgenheit und mit den Überlieferungen, in denen Imam al-Mahdi (aj.) während der Zeit der großen Verborgenheit mit einer Sonne, die sich hinter den Wolken befindet verglichen wird.[5]
  2. Das Unbekanntsein: Sayyid Riza Sadr nach ist mit Verborgenheit nicht gemeint, dass der zwölfte Imam irgendwo in den Bergen oder in einer Höhle oder sonstwo versteckt lebt, sondern mit Verborgenheit ist gemeint, dass er unter den Menschen als ein Unbekannter lebt.[6]
  3. Das Verstecktsein des Körpers und das Unbekanntsein: In einigen Fällen ist der Körper des zwölften Imams für die Menschen unsichtbar, wird aber in einigen anderen Fällen von den Menschen gesehen, aber nicht erkannt. Lutfullah Safi Golpajegani, schiitisches Vorbild der Nachahmung, vertritt die Ansicht, dass gemäß der Überlieferungen und auch der Erzählungen von Leuten, die Imam al-Mahdi begegnet sind, man zu dem Schluss kommen könnte, die Verborgenheit erfolgt in beiden Arten (Unsichtbarkeit und Unbekanntheit), sogar gelegentlich gleichzeitig.[7]

Kleine und große Verborgenheit

Die Zeit der Verborgenheit von Imam al-Mahdi (aj.) wird in zwei Zeitperioden eingeteilt, eine kurzzeitige Periode, die die kleine Verborgenheit genannt wird und die langzeitige, die als die große Verborgenheit bezeichnet wird.

Die kleine Verborgenheit

Vorlage:Hauptartikel: Die kleine Verborgenheit Die kleine Verborgenheit umfasst die erste Phase des Lebens des zwölften Imams, die im Jahre 329 n.H. ihr Ende fand. Diese Zeitperiode beträgt 69 oder 74 Jahre, aufgrund einiger Unstimmigkeiten über ihren Anfang. Laut einer Gruppe von schiitischen Gelehrten wie Scheich al-Mufid in seinem Buch al-Irschad,[8] at-Tabrisi im Buch I'lam al-Wara dauert die Zeit der kleinen Verborgenheit 74 Jahre und sie nimmt ihren Anfang im Jahr 255 n.H..[9] Andere wiederum sprechen von dem Jahr 260 n.H. (das Todesjahr von Imam Hasan al-Askari (a.) und der Beginn des Imamats von Imam al-Mahdi (aj.)) und einer Periode die 69 Jahre andauerte.[10]

Während der Zeit der kleinen Verborgenheit stand der Imam durch seine Vier Stellvertreter mit den Schiiten in Verbindung.[11] Dies geschah durch das Übermitteln von Briefen, eben durch diese Vier Stellvertreter, welche einerseits die Fragen und Bitten der Schiiten an den Imam weiterleiteten und andererseits die darauffolgenden Antworten des Imams wieder zurück an die Schiiten sandten.[12] Bei anderen Aktivitäten der Vier Stellvertreter ging es um Bemühungen zur Einflussnahme auf das Abbasidische Kalifat, den Kampf gegen die Ghulat und gegen falsche Stellvertreter, um die Anwaltschaft und das Organisieren von Anwaltschaftsorganisationen.

Die große Verborgenheit

Hauptartikel: Die große Verborgenheit und die allgemeine Stellvertretung

Die große Verborgenheit betrifft die zweite Phase des Lebens von Imam al-Mahdi (aj.) im Versteck, die 329 n.H. begann und zwar mit dem Tod von Ali b. Muhammad as-Samuri, dem Vierten Stellvertreter des Imams und bis zur Wiederkunft von Imam al-Mahdi (aj.) andauern wird. In dieser Zeit unterhält der Imam keine direkten äusserlichen Beziehungen zu den Schiiten und es gibt keine bestimmten Personen als seine Stellvertreter. Trotz alledem gelten die Hadithüberlieferer und die schiitischen Gelehrten im Laufe dieser Zeit als die allgemeinen Stellvertreter des Imams. Gemäß eines Schreibens von Imam al-Mahdi (aj.) an Ishaq b. Ya'qub sollen die Schiiten in neu aufkommenden Fragen sich an die Hadithüberlieferer bzw. an die schiitischen Rechtsgelehrten wenden.[13] Dennoch bestehen über die Reichweite der Befugnisse des Rechtsgelehrten in der Zeit der großen Verborgenheit Meinungsunterschiede.[14] Imam Khomeini bezieht sich auf dieses Schreiben und sagt, dass in der Zeit der großen Verborgenheit alle Angelegenheiten der islamischen Gesellschaft den Rechtsgelehrten überantwortet werden sollten.[15]

Der Unterschied zwischen der kleinen und großen Verborgenheit bezieht sich auf die Existenz der Vier Stellvertreter, also eben auf Kontaktpersonen, die in der Zeit der kleinen Verborgenheit für die Vermittlung von Botschaften des Imams verantwortlich waren, undt danach bricht der äußerliche Kontakt des zwölften Imams mit dem Volk für allemal ab.[16]

Die Situation der schiitischen Gemeinschaft zu Beginn der Verborgenheit

Zur Zeit von Imam Hasan al-Askari (a.) war bekannt, dass die Schiiten auf den Aufstand seines Sohnes warteten.[17] Das Abbasidische Kalifat suchte deshalb nach Kindern von Imam al-Askari. Der Imam stellte seinen Sohn nur wenigen seiner engsten Freunde und Verwandten vor.[18] Deshalb wusste der Großteil der Schiiten nichts über die Nachkommmenschaft Imam al-Askaris (a.).[19] Andererseits erwähnte Imam al-Askari (a.) aufgrund politischer Umstände in seinem Testament nur seine Mutter, was einige Schiiten zu der Annahme veranlasste, dass Imam al Askaris Mutter während seiner Abwesenheit in den ersten ein oder zwei Jahren nach seinem Märtyrertod stellvertretend für ihn das Imamat übernahm.[20]

Nach dem Märtyrertod von Imam Hasan al-Askari (a.) verkündeten einige seiner Anhänger unter Führung von Uthman b. Sa'id Amri der schiitischen Gemeinschaft, Imam al-Askari hat einen Sohn hinterlassen, der nun sein Nachfolger und Träger des Imamats ist.[21] Trotzdem beanspruchte Ja'far, der Bruder Imam al-Askaris, obwohl die Mutter des letzteren noch lebte, dessen Erbe.[22] Die Mutter von Imam al-Askari (a.) und Hakima, seine Tante befürworteten das Imamat des Sohnes von al-Askari, die Schwester des Imams jedoch unterstützte das Imamat ihres Bruders Ja'far.[23]

Die Nawbakhti Familie erkannte Uthman b. Sa'id und seinen Sohn als Stellvertreter für Imam al-Mahdi (aj.) an.[24] Dieser Zustand verwirrte einige Schiiten.[25] Und so kam es dazu, dass sich einige von ihnen anderen schiitischen Strömungen anschlossen.[26] Eine Gruppe ignorierte den Tod Imam al-Askaris und hielten ihn für den al-Mahdi, eine andere Gruppe wiederum sprachen das Imamat Seyyed Muhammad dem Sohn von Imam al-Hadi (a.) zu und lehnten das Imamat von Imam al-Askari (a.) ab.[27] Ja'far al-Kazab wurde von einer weiteren Gruppe als Imam anerkannt.[28] Aber letztendlich glaubte die Mehrheit der Schiiten an das Imamat von Imam al-Mahdi (aj.) und diese Strömung übernahm im Nachhinein die eigentliche Führung der Zwölferschiiten.[29]

Philosophie und Grund der Verborgenheit

Laut schiitischer Forscher liegen uns nicht alle Geheimnisse und Gründe der Verborgenheit klar und deutlich vor. In einigen Überlieferungen wird die eigentliche Weisheit hinter der Verborgenheit des Imams als eines der Geheimnisse Gottes bezeichnet, die nach der Wiederkunft des Imams Enthüllung finden.[30]

In den Überlieferungen werden einige dieser Gründe erwähnt:

  1. Zum Schutz des Lebens von Imam Mahdi (aj.)[31]
  2. Als Prüfung für die Menschen.[32] In einer Überlieferung von Imam Musa b. Ja'far (a.) heißt es, Gott prüft seine Diener anhand der Verborgenheit (des Imams).[33] Einigen anderen Überlieferungen zufolge zählen die Prüfungen in der Zeit der Verborgenheit zu den schwersten göttlichen Prüfungen überhaupt[34] und dies hat mehrere Aspekte:
    1. Das in die Länge ziehen der Verborgenheit führt zu Zweifeln unter den Menschen, dahingehend, dass einige sogar seine Geburt und andere wiederum seine Lebenslänge anzweifeln. Nur erprobte, aufrichtige und tiefsinnige Menschen bleiben in ihrem Glauben an sein Imamat standhaft.
    2. Unheilvolle Geschehnisse, welche sich in der Zeit der Verborgenheit ereignen verändern die Menschen, insoweit, dass ihr Glauben und ihre Standhaftigkeit in der Religion sehr schwer zu bewahren sein wird.[35]
  3. Frei davon zu sein, die Führung eines illegitimen Herrschers zu akzeptieren.[36] Wie einige Überlieferungen besagen, erkennt der zwölfte Imam keine unterdrückerische Herrschaft an , auch nicht aus Taqiya. Er ist nicht beauftragt sich vor einem Regenten oder Herrscher zu beugen und er wird sich nie unter das Joch eines Unterdrückers zwingen lassen. Er wird stets die Gesetze der Religion Gottes vollständig, nicht diskret sondern furchtlos, ja sogar rücksichtslos umsetzen.[37]
  4. Zur Züchtigung der Menschen[38]
  5. Das Fehlen von politischen und sozialen Bedingungen für die weltweite Verbreitung des Islam.

So etwas wie die Verborgenheit gab es auch schon in Bezug auf einige Propheten.[39] Laut Koranverse lebten manche Propheten wie Salih, Yunus,[40] Musa,[41] Isa und Khizr (a.) aus Gründen wie die Prüfung ihres Volkes im Verborgenen. Die Abwesenheit der Propheten wird in einigen Überlieferungen als göttliche Tradition bezeichnet, die unter den Völkern üblich war.[42] Laut Scheich at-Tusi spielen auch die Menschen eine Rolle bei der Verborgenheit. Denn sie (die religiös Erwachsenen) haben durch ihr negatives Verhalten gegenüber dem Imam die anderen von ihm abgeschreckt, ihn in Gefahr gebracht und so den Boden für die Verborgenheit bereitet, dazu haben sie sich und anderen den Segen seiner Anwesenheit genommen.[43] Khajeh Nasir ud-Din Tusi, schiitischer Philosoph und Kalam-Gelehrter hat in seinem Buch Tajrid al-Itiqad (تجرید الإعتقاد) die Verborgenheit des Imams mit den Menschen verbunden.[44]

Fußnoten

  1. Nu'mani, Al-Ghaiba, S.61; Tusi, Al-Ghaiba, S.164
  2. Mufid, Al-Irschad, B.2, S.340
  3. Safi Golpayegani, Pasokh Dah Porsesch, S.71; Sadr, Tarikh Al-Ghabat Al-Kobra, S.31-32
  4. Sadr, Tarikh Al-Ghabat Al-Kobra, S.31-32
  5. Sadr, Tarikh Al-Ghabat Al-Kobra, S.31-32
  6. Sadr, Rahe Mahdi, S.78
  7. Safi Golpayegani, Pasokh Dah Porsesch, S.70
  8. Mufid, Al-Irschad, B.2, S.340
  9. Tabrisi, I'lam al-Wara Bi-A'lam al-Hoda, B.2, S.259-260
  10. Sadr, Tarikh al-Ghabat al-Soghra, S.339-342
  11. Tusi, Al-Ghaiba, S.173-174
  12. Ghafarzade, Zendegi Nowab Khas Imam Zaman, S.86-87
  13. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.484
  14. Fazil Lankarani, Maschru'iyat va Zarurat Ijraye Hudud Islami Dar Zamna Ghaibat, S.10
  15. Imam Khomeini, Kitab al-Bai', B.2, S.365
  16. Sadr, Tarikh al-Ghaibat al-Soghra, S.341-345
  17. Mufid, Al-Irschad, B.2, S.336
  18. Hussain, Tarikh Siasi Ghabat Imam Davazdahom, S.102
  19. Naubakhti, Firagh al-Schia, S.105; Mufid, Al-Irschad, B.2, S.336
  20. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.507
  21. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.92-93
  22. Mufid, Al-Irschad, B.2, S.336
  23. Modarresi Tabatabaee, Maktab Dar Farayand Takamol, S.161-162
  24. Modarresi Tabatabaee, Maktab Dar Farayand Takamol, S.162
  25. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.426,429,487
  26. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.408
  27. Saberi, Tarikh Firagh Islami, B.2, S.197, F.2
  28. Naubakhti, Firagh al-Schia, S.107-109; Asch'ari, Firagh va Maghalat, S.110-114; Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.408
  29. Sayyid Mortiza, Al-Fusul al-Mukhtara, S.321
  30. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.282
  31. Nu'mani, Al-Ghaiba, S.177; Tusi, Al-Ghaiba, S.334
  32. Nu'mani, Al-Ghaiba, S.205; Tusi, Al-Ghaiba, S.339
  33. Tusi, Al-Ghaiba, S.204
  34. Tusi, Al-Ghaiba, S.203-207
  35. Tusi, Al-Ghaiba, S.202
  36. Nu'mani, Al-Ghaiba, S.171,191; Tusi, Al-Ghaiba, S.292
  37. Saduq, Kamal al-Din, B.2, S.480
  38. Nu'mani, Al-Ghaiba, S.141
  39. Soleymanian, Darsname Mahdawiat, S.41
  40. Sure Anbia, V.87
  41. Sure Baqara, V.51
  42. Saduq, Kamal al-Din, B.1, S.323
  43. Tusi, Al-Ghaiba, S.7
  44. Tabtabaee. Tarikh Hadith Schia, S.38-39